Baumbergers Reise ins Coronaland/11, Woche 10

Tag 54. Samstag, den 16. Mai

Jetzt ist der Zaun am Bodensee weg. Es wurde grenzüberschreitend gefeiert gestern Abend. Und der Zivilschutz arbeitet für uns, hat am richtigen Ort begonnen mit der Demontage:

Hier fahren wir in einem Monat dann wieder mit dem Velo über die Grenze vom Kreuzlinger an den Konstanzer Hafen

Die Läden und Warenhäuser vermelden eine bessere Verkaufswoche, als sie erwartet hatten.

Die Schweizerische Nationalbank versucht, Gelüste der Politik auf ihre Milliarden zur Entlastung der Bundesfinanzen abzuwehren. Sie brauche die Mittel für geldpolitische Flexibilität, sagt Andréa Mächler, Mitglied des dreiköpfigen Führungsgremiums. Ob ihr die Politik folgt, werden wir sehen.

In Italien tritt die Schattenwirtschaft ans Licht. Rund 600‘000 Ausländer, so wird geschätzt, arbeiten illegal – teils eingebunden in mafiöse Strukturen. Sie arbeiten schwarz, die Arbeitgeber sparen die Sozialabgaben und Vorsorgeleistungen. Jetzt sollen diese Arbeiter irgendwie halblegalisiert werden, denn es fehlen 200‘000 Saisonarbeiter vorab aus Nordafrika, Rumänien usw. Ich kann mir nicht genau vorstellen, wie das gehen soll.

Das haben wir davon, wenn unsere Regionalzeitung im Kanton Aargau produziert wird. Unter den 20 Tipps für Ferien in der Schweiz ist, abgesehen von einem aus Graubünden, kein einziger aus der Ostschweiz. Für die Damen und Herren hört die Schweiz wirklich hinter Winterthur auf zu existieren. (Ich pflege jeweils zu sagen, das sei nicht so schlimm, solange die Zürcher nicht ins Ausland gingen.)

Der Luxuskonsum-Branche geht es nicht gut: Uhren, Accessoires etc. Hat das für die Jurakantone speziell starke Folgen?

Jetzt wird retrospektiv über den Sinn der ergriffenen Schritte debattiert bis die Druckerschwärze ausgeht. Die verschiedenen Massnahmen werden gegeneinander abgewogen. Problematisch bei der Beurteilung scheint mir, dass die Interdependenz, die gegenseitige Beeinflussung, wohl kaum vollständig beurteilt werden kann. Was wäre gewesen, wenn eine Sache gefehlt hätte? Wäre dann die Wirkung der anderen gleich gross gewesen? Was aber scheint: Die Schliessung der Schulen wäre nicht nötig gewesen, ihre Wirkung war schwach. Aber eben: Hätte das andere Wirkungen abgeschwächt? Ausgangsperren hatten wir nicht.

Das „Gegenmodell“ Schweden hat offensichtlich auch seine Tücken, gibt es doch dort eine grosse Anzahl Tote, und die Folgen für die Wirtschaft sind ähnlich, wenn nicht grösser als bei uns. Ein Unterschied ist sicher, dass dort mehr mit der Eigenverantwortung der Bürger gearbeitet wurde. Und dass dies wirkte. Die Coiffeure beklagen analoge Einbussen, wie bei uns. Und ausserdem: Schweden liegt am Rande des Kontinents und grenzt direkt nur an zwei Länder: Finnland und Norwegen. Und nicht an Italien und Frankreich, wo der CV schwer zugeschlagen hat, gerade in Grenzregionen zu uns.

Die Tessinerinnen und Tessiner wissen, warum sie zurückhaltend in der Lockerung sind.

Zu den wirtschaftlichen Folgen des Niederfahrens ist zu berücksichtigen, dass 75% davon aus der internationalen Einbindung unserer Wirtschaft resultiert. Hätten wir gar nichts gemacht, wären sie dennoch eingetroffen.

Wenn wir bei der Lockerung der Massnahmen und vor allem der Einhaltung der Hygiene- und Verhaltensmassnahmen, die sehr viel gebracht haben und bringen, nicht vorsichtig sind, kann es uns dann gehen, wie dem Autohalter in Herisau, über den die Schlagzeile titelt: „Totalschaden beim Einbiegen“.

Italien verkündet einseitig, ab 3. Juni die Grenzen für Schengenländer zu öffnen, Quarantäne bei Einreisen seien dann nicht mehr nötig. Das soll Tourismus ermöglichen, der allerdings unter strengen Verhaltensvorschriften laufen wird. Die Schweiz muss nun sehen, was sie macht. Bundesrätin Keller kann sich vorstellen, dass ab Mitte Juni der Schengenraum ganz offen sein wird.

Velotürli: Bichelsee-Oberwangen-Anwil-Littenheid-Wilen-Gloten-heim. 26km, rund 1,5h. Schön, noch etwas kühl.

Für morgen haben wir den Garten etwas aufgemöbelt. Rasen geschnitten, dito die Gartenbonsais rund um den Weiher. Letztere sind gewachsen wie wild. Es sind Bäumchen, die ich aus im Garten gefundenen Sprösslingen gepflanzt habe und klein halte. Sie sind winterfest. Verschiedene Buchen- und Eichenarten, Birken, Linden. Sie haben gute Stämme und sind auch im Winter schön. Eine Eiche ist teilweise verdorrt, aber sie treibt wieder aus. Mal sehen. Die Eichen sind vor dem Haus unter einer inzwischen gefällten Tanne gewachsen, in der ein Eichelhäher ein Nest gehabt haben muss. Zwei habe ich an die Weiher verpflanzt, nicht ganz einfach. Vor dem Haus stehen noch ein Dutzend.

In verschiedenen Städten fanden Protestdemos gegen die CV-Massnahmen statt, mit jeweils einigen hundert Teilnehmern. Sie wurden aufgelöst, da das Verbot von Versammlungen von über fünf Personen immer noch gilt. Es hat unter den Protestierenden allerhand Volk. Neben über die Harschheit der Anordnungen Besorgten auch Rechtsextreme, Chaoten, Impfgegner, Verschwörungstheoretiker, G5-Skeptiker. Sie finden sich zusammen, da sie eben sonst ihre Anliegen nicht an die Öffentlichkeit tragen können.

Ausserdem erhalten sie eine Publizität, die sie sonst nicht kennen, denn die Medien machen eine grosse Sache daraus.

Was die Spinner betrifft, zitiert mein Schulkamerad Röbi Brusa die NZZ: Es gibt ein Recht auf Dummheit. Sie sind halt, meint er, dümmer als die Polizei erlaubt. Aber, so denke ich, auch diese ist in dieser Hinsicht nicht über jeden Verdacht erhaben.

Auch sein Hinweis, dass CVP auch als CoronaVirusPandemie gelesen werden könnte, legt den Schluss nahe, dass die entsprechende Partei vielleicht doch besser ihren Namen ändert und das hohe C fallen lässt.

Jene, die die Massnahmen des Bundesrats nicht so schlimm finden, können naürlich keine Gegendemo machen, da sie sich ja an die Vorschriften halten.

Aber es ist ja schon schräg, wenn in Bern auf dem gleichen Platz, der für die Demo abgesperrt wird, zuvor ein Markt abgehalten wird, an dem keiner stark auf Distanzhalten achtet. Da müsste was geschehen. Es werden ja auch die demokratischen Rechte eingeschränkt, wie das Sammeln von Unterschriften etc.

Tag 55. Sonntag, den 17. Mai

Heute gibt es eine Geburtstagsfeier im kleinen Rahmen. Wir haben die engste Familie in den Coronagarten eingeladen. Ein Jahrring mehr.

Hans Ruedi Fischer, ein jahrelanger guter Bekannter und Sinnesverwandter, hat mir schon vor einigen Wochen ein Gedicht geschickt, das ich auf heute aufgespart habe:

Die Welt steht Kopf
beziehungsweise still,
weil Viren umeinander schwirren.
(D)ein Geburtstag ohne Gläserklirren
und Angst, wir könnten uns verirren.
Was die Lage dieser Tage
wohl bedeuten will?
Auch wenn wir die Ver-Rücktheit
nicht erfassen,
dürfen wir die Hoffnung
niemals sinken lassen. fis

Danke, Fis! Woher hast Du gewusst, dass ich das Gedicht brauchen kann? Gläser lassen wir aber doch klirren, und wir hoffen und wissen, dass Du das nicht übel nimmst. Auf bald mal.

Chappatés Wochenrückblick

Velotürchen: Littenheid-Wilen-St.Margarethen-heim. 23km, Fünfviertelstunden. Schön mit kräftiger Bise.

Bundesrat Parmelin zeigt sich sehr unabhängig. Er ist kein Parteisoldat. Er fordert die schnelle Öffnung der Grenzen und Wirtschaftsräume. Und er ist gegen die Begrenzungsinitiative der SVP.

Die Wirtschaft leidet unter der Unterbrechung der Lieferketten. 40% der Betriebe leiden an fehelenden Zulieferungen für die Produktion.

Es ist schön, aufmerksame Leser zu haben. Studienfreund Franz Wyss schreibt zur letzten Woche:

„danke für die sendung! willst du die aufmerksamkeit der lesenden testen? wohlan:
axa ist eine französische firma
dänemark hat noch keinen beschluss zur grenzöffnung gefasst! annette und ich warten sehnlich darauf.
[Bei der Öffnungsmeldung bin ich einer TV-Ente aufgesessen. Annette kommt aus Dänemark, die Schreibweise ihres Namens verweist darauf.]
wenn heftige binen-briesen wehen, bleiben die biesen in den waben ...
palexpo ist in genf; lausanner palais heisst beaulieu.“

Da hatte ich offensichtlich eine schnelle Schreibe. Ich will mich bessern, Franz.

Wir hatten eine einen schönen Familientag im Garten. Schwestern, Cousine, Cousin&Frau. Mit Gemüseapéro, Feuer und Würstebraten, Kuchen und Creme. Dazu Sekt aus dem französischen Jura, Weisswein aus dem Thurgau und Roten aus Spanien, Kaffee. Mit viel Sonne. Perfekt.

Tag 56. Montag, den 18. Mai

Auch Ärzte sind Menschen. Das wissen wir ja schon seit jeher. Und sie bewiesen es in der CV-Zeit. Sie haben nämlich gehamstert. Nicht WC-Papier und Desinfektionsmittel. Das vielleicht auch. Aber ihr Hamster war berufsspezifischer: Sie deckten sich übermässig mit dem Rheumamittel Hydroxychlorexin ein, das, so die damalige Vermutung, auch bei potentiell mit dem CV Infizierten angewendet werden konnte, angewendet wurde. Sie machten das in einem solchen Unmass, dass Lieferengpässe entstanden, und das BAG eingreifen musste.

In Dänemark ist der Distanzhalteabstand auf einen Meter verkleinert worden. Das reicht schon zum Händchenhalten.

Über den Zeitungstitel „Der Urneneffekt“ stolpert mein auf CV geeichtes Auge. Es handelt sich aber nicht etwa um vermehrte Urnenbestattungen oder sowas, sondern darum, dass in der Primarschulgemeinde Bussnang-Rotenhausen eine Bauabstimmung nur per Urne abgehalten wurde und dies dann noch das einzige Geschäft an dem Tag war mit der entsprechenden Auswirkung auf die Stimmbeteiligung: 18%. Urneneffekt.

Das CV ist im Rohingya-Lager in Bangladesch angekommen. Die Folgen sind unvorstellbar.

Die Schweiz kommt so langsam wieder in Bewegung. Die langsame Zunahme der Mobilität erfolgte aber schon vor dem Öffnungsschritt vom letzten Montag.

In einem Interview mit der NZZ unterstreicht der Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW, Christian Hofer, dass die Schweiz immer vom Ausland abhängig sein werde. An sich nichts Neues, aber klar formuliert.

Was mir mehr auffällt, ist die ideologische Fixiertheit der Fragenden: In der Landwirtschaft, stellen sie fest, entscheide der Staat, was Leistung ist. „Dabei sollte das eigentlich der Markt tun.“ Nicht als Frage, sondern als Faktum. Und der höfliche Hofer fragt nicht zurück: „Sind sie sicher?“

Velotour: Aadorf-Hagenbuch-Gachnang-Kefikon-Ellikon-Üsslingen-Kartause (Sandwich)-Warth-Frauenfeld-Matzingen (Kaffee)- Münchwilen-heim. 55km. 3h+. Sehr schön, wolkenlos, angenehm.

In der Kartause waren die Tische unter den Sonnenschirmen ausgerichtet wie Soldaten. Etwas Kasernenatmosphäre. Ich habe das dem Chef, der mit einem Doppelmeter rumspazierte, um zu sehen, wo noch weitere Tische platziert werden könnten, gesagt. Etwas versetzt würden die Abstände auch eingehalten und es sei lebendiger. Er stimmte zu, aber ob er es macht?

Chinas Premier Xi Jinping verspricht auf der Jahreskonferenz der WHO, an der er kritisiert wird, sich aber auch wehrt, den armen Ländern des Südens 2 Mia$.

Der Bund kritisiert das Verhalten der Leute im Ausgang am Wochenende. Abstand halten, sei oft nicht beachtet worden.

Ausserdem erlaubt er Demonstrationen. Aber nur mit 5 Teilnehmern. Mehrere Gruppen à 5 zum gleichen Thema sind nicht erlaubt, denn dann sei es keine Demo mehr, sondern eine Veranstaltung, und diese seien verboten. Was soll das?

Die Zahl der Ansteckungen fällt weiter. Gestern waren es 15, heute 10 und keine neuen Todesfälle.

Deutschland öffnet, schrittweise je nach Bundesland, die Kitas.

Macron und Merkel schlagen gemeinsam einen EU-Wiederaufbaufonds von 500 Mia€ vor, einen CV-Marschallplan gleichsam. Er soll nicht in Kreditform vergeben werden, sondern als Teil des EU-Budgets als direkte Zuwendungen an unter dem CV leidende Branchen und Betriebe. Nachhaltigkeit (Green Deal der EU) soll beachtet werden, die Unabhängigkeit von internationalen Lieferketten ebenso wie die Digitalisierung, Biodiversität gefördert. Der Plan muss nun erst durch die Konferenzen und dann von allen 27 Mitgliedern abgesegnet und von deren Parlamenten ratifiziert werden. Aber er hat vermutlich Chancen, da Frankreich für den Süden und Deutschland für den Norden spricht, so die Berichterstattung aus Brüssel. Und der Osten, denke ich mir?

Osteuropa hat es weniger erwischt, als den Westen. Es gibt da verschiedene Gründe. In Polen ist eine Untersterblichkeit zu beobachten, eine unterdurchschnittliche Sterblichkeit könnte man auch sagen. Die Gründe sind der Einbruch des Verkehrs und der Wirtschaft, weswegen weniger dreckige Autos fahren und weniger Unfälle geschehen, weniger dreckige Industriebetriebe laufen, was die Luft merklich verbessert. Auch gab es weniger allgemeine Grippetote, da Ausgangsbeschränkungen auch diesem Virus Einhalt geboten.

Auch Tschechien, die Slowakei und Ungarn sind glimpflich davon gekommen. Die Seuche kam später, die Massnahmen relativ früher. Die Länder sind international weniger verknüpft z.B. durch die Luftfahrt, und alle Verbindungen wurden gekappt. Ausserdem sind die Länder weniger dicht besiedelt, sieht man von den Agglomerationen Budapest und Prag ab. Die Länder öffnen vorläufig die Grenzen zum Westen nicht, höchstens untereinander. Und wer von aussen kommt, muss weiterhin zwei Wochen in Quarantäne.

In Deutschland wird im Parlament der Mindestabstand der Stromwindräder geregelt. Sind sie Covid19-infiziert?

Sommerferien 2020 seien „eine Reise ins Ungewiss“, heisst es. – So sind wir immer gereist.

Tag 57. Dienstag, den 19. Mai

Sie haben wirklich einen Knall gehabt in Basel am Wochenende. Mal sehen, wie das über Auffahrt wird. Hoffentlich klemmen sie uns die Beizen nicht wieder ab.

Es wäre gut, würden die nächsten Massnahmen lokal orientiert, z.B. die Schliessung der Basler Partymeile, Sperrung überlaufener Uferpromenaden. Es würde uns stinken, wenn wir wegen ein paar Spinnern unnötigerweise wieder vermehrt eingeschränkt würden.

Das Tessin ist vorsichtig mit der Öffnung nach und von Italien. Der Kanton will da ein Wörtchen mitreden. Das ist verständlich, aber ob er das auch kann, werden wir sehen müssen.

Slowenien hat als erstes europäisches Land die Pandemie als beendet erklärt. Das hat sicher mit dem Tourismus zu tun, der angekurbelt werden soll.

Auch die Schweizer Kantone werden aktiv. Das Wallis fährt eine Kampagne in der „Üsserschwiz“, wie sie uns nennen. Das Tessin will Beiträge an verbilligte Übernachtungen ausrichten.

Die SBB erlässt Mietern in von ihnen geschlossenen Liegenschaften die Miete oder reduziert sie entsprechend dem Umsatzausfall. Auch die Bündner Kantonalbank handelt ähnlich.

Trump erpresst die WHO aus innenpolitischen Gründen. Zuerst kündigt er an, die Beiträge zu streichen, tut es dann nicht, und jetzt poltert er wieder, er werde nicht zahlen oder austreten oder beides, wenn die WHO nicht innert 30 Tagen massive Reformen angehe, ohne anzugeben, auf was es ihm da ankommt. Wie immer wohl vor allem auf den Lärm, den er veranstaltet.

Bei den Überlegungen, was sich durch die CV-Krise in unserer Gesellschaft ändert, bin ich ja vorsichtig. Wir werden noch so gern zu geliebten Handlungsmustern und Einstellungen zurückkehren. Aber wenn in relativ kurzer Zeit noch so eine Übung über uns herfällt, ja dann, dann könnte schon einiges nicht nur überdacht werden müssen, sondern überdacht werden.

Velotour: Münchwilen-St.Margarethen-hintenherum, Tägerschen-Braunau-Lanterswil-Hagenwil-Wuppenau-Zuzwil-Thur-Nierderstetten-Rickenbach (Coronaessen bei Rita und Xaver Edelmann)-heim. 39km. 2h20. Schön, aber steife Biese hoch nach Braunau.


Tag 58. Mittwoch, den 20. Mai

Im Regionalen Alters- und Pflegeheim Tannzapfenland in Münchwilen, in dem meine Mutter bis zu ihrem Tod lebte, hatten sie 10 CV-Fälle und 3 Verstorbene. Sie richteten im Pflegeheimteil eine Isolierabteilung ein, die jetzt wieder aufgehoben werden konnte. Eine junge Frau berichtet in der Zeitung über ihre Arbeit dort. Sie war völlig von ihrer Umwelt abgeschnitten, konnte zwar in ihrer Wohnung in Wängi schlafen, aber hatte keinerlei direkten Kontakt zu anderen Menschen ausserhalb der Isolierabteilung, weder zu Familie, Freunden noch zu Arbeitskolleginnen. Das war ein harter Job, und dann noch in zwei Fällen Sterbebegleitung. Chapeau!

Ob der vielen CV-Statistiken gingen die Grippezählungen völlig unter. Wir wissen nicht, wieviele Grippetote es neben den 1630 CV-bezogenen Todesfällen gegeben hat. Das ist schon etwas schwach.

In vielen Kantonen gibt es keine Neuinfektionen mehr.

Die SBB und die Zürcher Verkehrsbetriebe versuchten durch die Abgabe von Gratismasken die Leute zu motivieren, in gedrängten Situationen mehr Masken zu tragen. Aber in der Deutschschweiz zumindest (ich weiss nichts über Tessin und Welschschweiz) beissen sie da eher auf Granit. Die Reisenden wollen nicht, auch wenn das Personal es gerne hätte.

Rolls Royce und Micron entlassen viele Leute. RR, weil auf absehbare Zeit keine oder nur sehr wenige Flugzeuge gekauft werden, die sie mit ihren Motoren bestücken könnten, Micron, weil sie als Zulieferer für die Autoindustrie ein ähnliches Problem haben. Die Neuzulassungen sind massiv, sehr massiv eingebrochen.

Im Kanton Thurgau ist die Wahlfälschung zugunsten der SVP in der Stadt Frauenfeld mittlerweile als gesichert anzusehen. Der zuständige Generalstaatsanwalt sagte, es sei bald klar, wer es gewesen sei, die Schlinge ziehe sich zu. Dass Fälschung vorliege, sei gesichert. Der Grosse Rat hat in seiner heutigen Sitzung aber das Mandat nicht wie die übrigen 129 Sitze bestätigt (zugunsten der GLP, wo es hinwandern wird), , , sondern wartet auf das Urteil des zuständigen Gerichts. Die dominierende SVP konnte ihr Gesicht etwas wahren mit Zustimmung der übrigen bürgerlichen Parteien. Formal mögen sie ja Recht haben, aber es wäre ihnen auch kein Zacken aus der Krone gefallen, hätten sie den 130. Sitz der GLP zugesprochen. Sie könnten ihn ja dann allenfalls – sehr unwahrscheinlich – wieder zurückgeben.

Die Weinbauern erhalten 10 Mio Unterstützung. Sie leiden indirekt am CV. 2018, als das Weinjahr nicht nur von der Qualität her super war, sondern auch von der Menge, haben viele Menge gebolzt wie blöd, statt durch Mengenbegrenzungen die Qualität noch mehr zu verbessern. Jetzt sitzen viele auf vollen Fässern, die sie nicht leerbekommen, da die Beizen zu sind und daher weniger getrunken wir. Gute Winzer haben dieses Problem weniger bis gar nicht. Die Gelder werden nach Anbaufläche auf die Kantone verteilt, die dann schauen, was sie damit machen. Dass unser Wirtschaftsminister früher Weinbauer war, ist wohl eher als zufällig anzusehen.

Der Wein wird übrigens auf Tafelwein heruntergestuft, der dann an die Industrie zur Alkoholverarbeitung geht. Warum er dazu „Tafelwein“ sein muss, weiss ich auch nicht. Es wird wohl eine Preisfrage sein.

Sie spinnen, die Schweizer: Der Veranstalter des weltbekannten Lauberhornrennens in Wengen streitet sich mit Swiss Ski um seinen Anteil am TV-Geld. Sie haben sich nicht gefunden, Wengen klagt deshalb gegen Swiss Ski beim Sportgericht in Lausanne. Und als Retourkutsche nimmt Swiss Ski den Vorschlaghammer aus der Werkstatt und beantragt ganz einfach beim übergeordneten Verband, dass das Lauberhornrennen 2022 vom Veranstaltungskalender genommen wird. Harte Bandagen sind das. Die längste Abfahrt der Welt ist ein so grosser internationaler Publikumsmagnet, dass der Ausfall nicht nur Wengen, sondern die Schweiz insgesamt schädigen würde. Als Retourkutsche könnte man dann „Swiss Ski“ das „Swiss“ aberkennen. Oder den ganzen Skizirkus einem frühen Tod entgegenführen, abschaffen, bevor das die Klimaerwärmung automatische mal macht.

Noch zum von Merkel und Macron vorgeschlagenen Solidaritätspakt: Es sollen 540 Mia sein, nicht 500. Die Kommission unter van der Leyen muss ihn zunächst absegnen, bevor er zur Zustimmung an die Mitglieder geht. Und da es über das Budget läuft, können Staaten, die nicht mitmachen wollen, auch nichts beziehen. Ausserdem wird diskutiert, dass nur Geld bekommt, wer sich an die allgemeinen Regeln und Beschlüsse hält (Ungarn, Polen!). Es soll also eine Verbindung zwischen Haushalt und Rechtsstaatlichkeit erstellt werden.

Die Arbeitslosenkasset erhält vom Bund weitere 14 Mia Franken, insgesamt also über 20. Das ist nötig, um die Ausgaben für die Kurzarbeit ohne Erhöhung der Beiträge durch mehr Lohnprozente finanzieren zu können. Es sind fast 40% der Arbeitskräfte in Kurzarbeit, 190‘000 Betriebe. Die Gewerkschaften verlangen für die Zukunft ein Kurzarbeitergeld von 100% des Lohns, und nicht 80%, damit auch die Niedriglohnempfänger genügend Geld haben. Könnte man da eine Obergrenze machen, nach der dann die 80% greifen?

Ab 28. Mai, also an Pfingsten, sind wieder Gottesdienste möglich.

In Basel wird nach dem Riesenpuff vom vergangenen Wochenende die Schraube angezogen. Die zusätzlich bewilligten Aussenplätze sind wieder gestrichen, die Vorschriften werden kontrolliert und wenn immer möglich durchgesetzt. Die Partymeile kann auch ganz zugemacht werden.

Velotürli: Anwil-Littenheid-Wilen-Wil-Gloten-St.Margarethen-heim. 23km, 1h30. Schön. Starke Bise.

In Berlin wird der Flughafen Tegel ab Mitte Juni geschlossen. Definitiv. Es gibt jetzt wenig Flüge, die via Tegel abgewickelt werden können. Und der neue Flughafen BER soll ja im Herbst endlich eröffnet werden.

Wer von Reisebüros Rückzahlungen zugute hat, muss eventuell noch warten. Betreibungen sind bis Ende September ausgesetzt (Rechtsstillstand heisst das), da die Büros von den Fluglinien etc. schmählich hängen gelassen werden.

Heute werden 40 Neuansteckungen und 10 zusätzliche Tote gemeldet.

Der Bund will 300 Mio Franken aufwenden, um Verträge über die Lieferung von Impfstoffen zu erhalten. Dazu verhandelt er mit verschiedenen möglichen Produzenten. Er verspricht, auch eine gerechte internationale Versorgung zu unterstützen.

Unter dem Titel „Auftritt der Narren auf dem Theater der Freiheit“, kommentiert der emeritierte Bochumer Literaturprofessor Manfred Schneider die Spinner auf dem Parkett der medial wirksamen Öffentlichkeit. Dabei sagt er u.a.: „Ausdrücklich schliessen die verfassungsgesetzlichen Garantien und Freiheitsrechte alle Narren ein. Gewiss mag es Massnahmen geben und gegeben haben, die sich im Lichte besserer Erkenntnis als übertrieben oder gar als unnötig erweisen. Aber dafür muss die bessere Erkenntnis erst einmal gewonnen werden.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.


Tag 59. Auffahrt, den 21. Mai.

Neben Brasilien ist auch Peru gegenwärtig stark vom CV betroffen.

Die reformierte Kirche läutet wie zu einem normalen Auffahrtsgottesdienst. Wohl in Erinnerung daran, dass er hätte sein sollen.

Velotürli: Hurnen-Wallenwil-Eschlikon-Ragatz (mit Umweg über den Landsbeg)-Rosental-Lachen-St.Margarethen-Mörikon-heim. 23km, schön, nur leichte Bise.

Am Schluss müssen wir mit dem Velo ja jeweils noch zu uns rauf, ins Oberdorf. Das war immer ein Dessert, das wir nicht schätzten. Jetzt mit dem eBike ist es ein Genuss, sich da hochschieben zu lassen, und wir freuen uns. Das wird so bleiben, jedes Mal.

Es ist wie mit unserer Abwaschmaschine. Beide waschen wir nicht gerne ab, und als Studenten haben wir diese Arbeit immer genau geteilt. Und wir sagten uns, wenn je eine/einer von uns eine Stelle hat, gibt es mit dem ersten Lohn eine Abwaschmaschine. Und so war es auch. Ich musste mir bei Mutter noch für einen Monat 1000 Franken pumpen. Und seither haben wir jedes Mal, wenn wir das Ding laufen hören, Freude, schauen uns an, lächeln und wissen warum. Und das aktuelle Modell hilft uns dabei speziell, denn es ist laut wie ein Traktor. Aber solange sie ihre Arbeit macht, darf sie bleiben.

In Deutschland schafft es die Bürokratie nicht, den Maskenlieferanten ihr Geld auszuzahlen.

In den USA sind 39 Millionen Menschen arbeitslos, allein letzte Woche kamen 3,3 Millionen dazu. Und dann sehen wir Trump, wie er lauthals verkündet, ab Juni gehe es dank seinen Öffnungsmassnahmen mit der Wirtschaft steil bergauf, und 2021werde wirtschaftlich ein Superjahr. Es ist fast nicht zu glauben, wie der Mann lügen kann, ohne rot zu werden, sich an seinem Gelaber ergeilt. Und wenn es dann im Juni nicht bergauf geht, wenn dann 2021 nicht gut wird – wer erinnert sich schon, was er im Mai 2020 gesagt hat. Er sicher nicht. Hauptsache, er wird gewählt, und es ist wahrscheinlich, dass die Amis das tun. Armes Land, arme Welt.

60. Tag, Freitag, den 22. Mai

Peter Spuhler, unser grosser Thurgauer Wirtschaftshirsch, trennt sich nach rund zwei Jahren von seinem Nachfolger als CEO, Generaldirektor. Sie hätten sich, heisst es, wie gewöhnlich, in gegenseitigem Einvernehmen und unter Verdankung der bisherigen Arbeit getrennt, aber sie hätten unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft der Stadler Rail, die Spuhler von einem Kleinbetrieb mit 18 Mitarbeitenr zu einem Konzern mit Tausenden aufgebaut hat. Ich werde den Verdacht nicht los, dass sich Spuhler nicht in seine Rolle als nur Verwaltungsratspräsident gefunden hat, sondern den Betrieb immer noch durch die Brille des CEO gesehen hat und dies auch auslebte. Das würde seinem Naturell entsprechen. Aber es würde wohl der Zukunft der Firma nicht eben gut tun. Nachfolgeregelungen sind in Politik und Wirtschaft der Prüfstein der Führungsqualität.

In Schweden kam es nicht zur erhofften „Durchseuchung der Bevölkierung“ – wer hat wohl diesen Schauerbegriff erfunden? – die ja als Ziel das A und O des sogenannten schwedischen Weges war. Dieser hat so auch seine Tücken, wie der schweizerische, der deutsche, der amerikanische. Wir wissen wenig bis gar nichts, und wir sind oft halt nur nicht ehrlich genug, es zu sagen.

Im Maschinenbau der Schweiz soll es zu massiven Entlassungen kommen. Die Branche spricht von 20‘000. Das wäre viel.

Die Betreiber der Campingplätze sind sauer. Sie dürfen nicht öffnen. Die Begründungen des Bundes sind etwas schwach. Der Verdacht, den ich von Anfang an hatte, wird auch andernorts geäussert: Sie gingen schlicht und einfach vergessen. Da wäre dann etwas Erinnerungskultur angesagt.

Velotour an den Untersee: Münchwilen-Rosental-Altersheim Wängi-Matzingen-Frauenfeld-Weiningen-Herdern-Mammern-Steckborn (Mittagessen in der „Schifflände“: Fischknusperli)-Pfyn-Frauenfeld (Kaffee, Coci oder Bier im Brauhaus Sternen)-der Murg entlang heim. 77km. Insgesamt 6h. Bedeckt, aber warm und windstill. Ideal.

Es ist unsere längste Tour bisher. Elo ist nur einmal an der Donau ähnlich weit gefahren. Unser Aktionsradius hat sich mit den eBikes definitiv vergrössert. Und ausserdem noch zweimal über den Seerücken. Elo ist etwas müde, bei mir geht es.

Am See waren heute nicht so viele Leute. Und natürlich alles Schweizer. Die Deutschen fehlen, die Schweizer können nicht anderswo hin. Nur an der Tankstelle an der Stedi waren deutsche Boote, da es die einzige am Untersee sein soll. Gestern muss es sehr viel belebter gewesen sein, aber die Ostschweiz wurde gelobt für braves Einhalten der Vorschriften. In der Innerschweiz muss es etwas enger her und zu gegangen sein.

Die Wirte sind einfallsreich. Sie möblieren mit etwas Abstand. Und als die Schifflände voll war (die Terrasse), haben sie einem Paar, das auf einer nahe gelegenen Bank wartete, einfach einen Harrass hingestellt als Nottisch.

Im Jura haben sie statt Abstand mit Tischen Abstand mit Tischplatten gemacht. Auch ein Weg.

Bei Lausanne organisierte irgendwer (nach den Verantwortlichen wird geforscht) ein Jugendfussballspiel. Als die Polizei kam, waren 1000 (!) Leute da, worauf die Staatsmacht zum Rückzug blies. Zu viele! Keine Heldentat. Dafür forschen sie jetzt eben.

Im Garten haben wir jetzt gelbe und blaue Schwertlilien.

22.5.2020/JB.