Sonntag, 22. März 2020

1. Woche

Reise ins Coronaland/2

Und nun zum

Tagebuch

Tag 2. Sonntag, den 15.3.

Gut zwei Wochen ist es erst her, dass wir in der Schweiz den ersten bestätigten Fall hatten. Die Entwicklung ist atemberaubend.

Am Morgentisch schaue ich hinaus in die Landschaft und frage mich, ob ich da noch das gleiche Land vor mir habe, wie vor 14 Tagen. Es sieht alles gleich aus, und doch ist alles nicht mehr gleich, anders. Die Sonne scheint, aber irgendwie liegt ein tiefer Schatten über dem Land. Wie wird uns das verändern, wenn es lange dauert? Können wir das für Juni geplante Köhlerfest auf der Hochwacht durchführen oder das Jahrestreffen der Berner 68er in Lausanne im September oder die Turnerunterhaltung im November, wo ich die Wirtschaft führe für die Männerriege?

Wird sich unser Land verändern? Wird sich unser Dorf in den nächsten Wochen und Monaten verändern? Welche Beizen wird es noch geben, welche Läden? Was werden wir verlieren, was gewinnen? Unser Metzger Karl Koller meinte am Freitag, wenn die Leute etwas weniger in die Beiz gingen, verkaufe er etwas mehr. Auch ein Standpunkt.

Froschperspektive auch hier, klar, aber daraus setzt sich die grosse Perspektive irgendwie zusammen.

Wir beide haben diskutiert, wie wir es mit den sozialen Kontakten halten wollen. Ganz wollen wir sie nicht aufgeben, also mit den Schwestern, Lattmanns und Ulla soll es weitergehen. Die Einladung der Lattmanns zum Mittagessen am Mittwoch haben wir angenommen.

Mit den Schwestern wollen wir etwas mehr telefonieren. Gret erzählt, dass sie private Bridgetourniere macht, Ruth geht laufen. Ruth hat Thomas, Anna und Joana getroffen, sie umarmt und mit ihnen einen Apéro genommen. Von Derendingen und damit den Enkelinnen ist sie etwas abgeschnitten. Zu ihrem Schutz wohl, aber ich frage mich, ob sie so geschützt werden will. Wir haben beide eingeladen, am 4.4. auf jeden Fall zu uns zu kommen, auch wenn Ruedi seinen 80. am 5. April allenfalls nicht feiern kann.

Ich habe den Gemeindeammann („Gemeindepräsident“ heisst es jetzt, aber daran gewöhne ich mich wohl nie) darauf aufmerksam gemacht, dass in der Verordnung des Bundes vom Freitag die Sporttrainings vom Bann ausgenommen sind, und gefragt, ob er nicht die Vereine mit Jugendlichen zur Weiterführung der Jugendtrainings anhalten will, als Beitrag zur Unterstützung der Eltern in der schullosen Zeit. Er antwortet mir, mit der Schulschliessung würden, so habe der lokale Coronastab eben beschlossen (wohl nach der Sitzung des heutigen Wahlbüros für die kantonalen Wahlen am heutigen Sonntag[1]), die Sportanlagen und das Schwimmbad zu schliessen. Der Kanton verlangt das nicht.

-----------------[1] Die Grünen und die Grünliberalen haben im Grossen Rat massiv zugelegt, aber auch die SVP und leider ist der SVP Kandidat Martin als Nachfolger von Jakob Stark gewählt worden. Er ist nicht nur SVP, sondern auch noch ein sehr schlimmer Finger. Der Grünliberale, der mit absolutem Mehr als Überzähliger ausgeschieden ist, ist aber selbst schuld, denn er kam – nach ursprünglicher Absage – erst ins Rennen, als die Grünen ihre Frau schon aufgestellt hatten. So nahmen sie sich die Stimmen weg. Bei einer solchen Figur hält sich der Schaden wohl in Grenzen.

Der Fluglärm hat deutlich abgenommen, aber es fahren mehr Autos, wohl um den ÖV zu vermeiden. So konterkariert eine Folge die andere.

In den Nachrichten klingt es weiterhin wild.

In Österreich markiert der Kanzler-Bub den starken Mann mit täglichen Auftritten. Er lässt das Land abschotten (Flüge&Züge, Grenzen), verordnet ein Versammlungsverbot von über 5 Personen, lässt am Dienstag alle Beizen und Läden schliessen, ausser für Lebensmittel, Apotheken etc., ebenso schliesst er Parks und Sportanlagen. Die Leute sollen möglichst in den vier Wänden bleiben. Baselland beschliesst ähnliche Massnahmen: Der Kanton ruft heute den Notstand aus und schliesst „alle Verkaufsstätten, die nicht der Grundversorgung dienen, sowie alle Gastrobetriebe“. Ist das unsere Zukunft?

In Zürich reden sie darüber, ob die schullose Zeit vielleicht bis zu den Sommerferien geht.

In Italien sind über 21‘000 Menschen als positiv angesteckt identifiziert, 1400 sind gestorben. Spanien und die Niederlande sind ebenfalls stark betroffen. Ausserhalb Europas ist es der Iran mit der Pilgerstätte Qum. Und in anderen Ländern sind wohl das Testen und die Statistik noch nicht ganz so weit.

In den Abendnachrichten kommt die Meldung, dass die Frühjahrssession der Eidgenössischen Räte abgebrochen wird. Damit erhält der unsägliche SVP-Aeschi mit seinem voreiligen Antrag dazu nachträglich noch Recht. Wir haben heute 2200 Fälle bestätigt, 14 Tote. Solothurn schliesst Kitas und Krippen, Jura die Läden (ohne Lebensmittel, Tierfutter, Tankstellen, Apotheken). Deutschland wird wohl morgen die Grenzen schliessen, ausser für Grenzgänger etc. Auf beide Seiten.

Spaziergang: Kirche – der Bahn entlang bis zur Mühle – Büfelden – Murg – der Bahn entlang bis zum Durchlass der alten Ziegelei Eschlikon – Rossmetzg – Büfelden – Murg – Öli-Weiher – durchs Dorf zurück. 5/4 Stunden. Sonne, etwas kalter Wind.

Tag 3. Montag, den 16.3.

Es ist das Gefühl, das Betroffene am Strand bei einem Tsunami haben müssen. Wie aus dem Nichts türmt sich eine Riesenwelle vor dir auf, die dich dann voll überflutet. Was wird sie mitreissen, wenn sie wieder zurückflutet? Was für Tage haben wir hinter uns. Was für Tage vor uns?

Wenn ich Zeitungen lese oder Radio höre, weiss ich nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Auch hier das Tsunamigefühl. Die Informationen sind zurzeit nicht zu ordnen, kaum zu verarbeiten. Gestern hatten wir 800 neue Infektionsfeststellungen. Die Zahl der Toten steigt moderater. Das Virus beflügelt die Mietwagenfirmen und den Veloverkauf, aber auch die Nachfrage nach Sextoys, so das Tagblatt.

Ein Kanton nach dem anderen macht den Laden, die Läden, buchstäblich dicht. Graubünden schliesst die Beizen. Neuenburg zieht nach mit Massnahmen. Weitere werden folgen. Der Thurgau reagiert besonnener. Kann er das durchhalten? Der Bundesrat tage, es seien weitere Massnahmen zu erwarten, heisst es am Morgen.

Es soll mehr getestet werden, mit schnelleren Tests. Freund Florian erzählte mir am vorigen Mittwoch, er sei mit einem Kollegen daran, Schnelltests zu importieren aus Deutschland, wenn diese vom BAG zugelassen würden. Heute Montag soll in Deutschland herauskommen, ob sie wirksam seien und sich eine Zulassung in der Schweiz lohne. Die Testzeit wäre nicht wie beim Schnelltest von Roche 3,5 h sondern 20‘. Mal sehen.

Was Kitas und Krippen betrifft, handeln die Kantone uneinheitlich. Nicht alle schliessen bedingungslos. Die Kantonsärztin St.Gallen geht aufs Ganze; sie verlangt in der Zeitung, dass wir Alten zuhause bleiben und auch nicht einkaufen gehen. (Das werden wir vorerst nicht befolgen.)

Das FED und die Notenbanken fluten die Märkte mit massiv mehr Geld. Nicht nur wird der Leitzins um nicht weniger als 1% gesenkt auf fast null. Auch werden für 500 Mia$ Staatsanleihen gekauft und für 200 Mia$ Hypothekarpapiere. Einladung zum Schuldenmachen zum Nulltarif. Wer wird das zahlen? Und ob das hilft? Die Negativzinsen, die kein normal gebautes Hirn verstehen kann, werden wir so nicht los.

Ich war eben beim Arzt, eines Hautfleckens wegen, der aber harmlos ist. Lohrke meinte, der Höhepunkt sei Ende April, dann ebbe es ab, dann könnten die Massnahmen wieder zurückgefahren werden. Wie schnell?

Leid tun mir die Kleinkunstschaffenden und –veranstaltenden. Sie gehen wohl sehr schnell auf dem Zahnfleisch. Die Kultur ist insgesamt gelähmt. Die Folgen noch nicht absehbar.

Unseren Freund Chnopf/Barnabas, der schwer Krebs hat und in einem Heim lebt, können wir nicht besuchen. Wir wollten wieder mit ihm Mittagessen gehen in Winterthur.

Öffentliche Beerdigungen werden abgesagt oder untersagt. Das Geleit auf dem letzten Gang (richtiger wohl: auf der letzten Fahrt, sei es zur Hölle oder in den Himmel) wird unmöglich. Eben haben wir noch Paul Schoch unter den Boden gebracht, die Kirche und dann die Beiz waren pumpenvoll. Finito für einige Zeit, nicht nur für die Leiche, auch für uns.

Gret hat auch festgestellt, dass im Himmel mehr Ruhe herrscht: viel weniger Flüge.

Unsere Hausmittel gegen Covid19 sind Wein, Schnaps und Chnobli. Ob’s hilft, sei dahingestellt, gut ist es auf jeden Fall!

Eben ist auch die Seniorenwandergruppe vorerst bis Mai abgesagt. Noch ein freier Nachmittag. Ich kann gut ohne Kalender in der Tasche rumlaufen, ich weiss ja genau, dass ich keine Termine habe. Ende April will ich mit Peti Wagnerdrei Tage in den Bregenzerwald. Das wird dann wohl auch gestrichen.

Auf dem ausführlichen Spaziergang bei schönstem Wetter sehen wir Eltern auf der Terrasse mit der Tochter Mittag essen, Väter an der Murg mit Kindern spielen usw. An einem Wochentag ungewohnt.

Am Nachmittag schlägt der Bund nun zu. Er geht auf die höchste Stufe der ausserordentlichen Lage und schliesst ab Mitternacht alle Geschäfte ausser Lebensmittelläden, Apotheken, Tankstellen. Die Schweiz liegt ab morgen lahm. Bis nach Ostern. 5 Wochen. Mindestens. Das sei nötig, da die Bevölkerung von sich aus zu wenig diszipliniert sei. Auch einzelne Verwaltungen schliessen den Schalter. Was Sirnach macht, weiss ich – noch – nicht.

Im Regionaljournal Ostschweiz und Graubünden von Radio DRS plötzlich eine bekannte Stimme. Neffe Thomas, der die Schule des Münstertals an der Grenze zu Südtirol leitet, berichtet, wie sich die Schulen mit EDV auf die neuen Formen des Unterrichts einstellen.

In den Nachrichten und am TV nur Corona. Es wird etwas viel. Was darf ich, was nicht, was soll ich, was nicht? Werden wir am Mittwoch zu Lattmanns zum Mittagessen gehen?

Morgen werde ich meine Telefontätigkeit hochfahren: Chnopf, Peti, Marianne, Maomi, Ruth&Gret...

Ärgern tun mich die besserwisserischen Fragen der Journalisten nach hätten und sollten: Schon früher so stark einfahren, mehr Testen (sie wissen ja nicht, wieviel getestet wir, die Labors kommen nicht nach). Und die vielen Einwürfe der – sich oft widersprechenden! – Experten. Der Präsident der Zürcher Ärzte war da souverän. Recht unverblümt hat der dem Fragenden erklärt, dass wir hinterher immer schlauer sind, und dass wir über die Wirksamkeit der Massnahmen dann in einem halben Jahr gescheit debattieren können.

Hätten sich Herr und Frau Schweizer (darf ich das in Zeiten penetranter Gendergerechtigkeit noch so sagen, oder müsste es heissen Herr und Frau SchweizerIn, Herr und Frau Schweizer*in, Herr und Frau Schweizer und Schweizerin oder gar Frau und Herr Schweizerin und Schweizer? sei‘ drum:) Hätten sich Herr und Frau Schweizer an die Empfehlungen des Bundes vom 13. gehalten und wären sie nicht wie gewohnt auf Schihütten zusammengesessen, hätten sie nicht auf dem Markt eingekauft, wie wenn nichts gewesen wäre, wären uns die Beschlüsse vom 16. vielleicht erspart geblieben.

Spaziergang: Gässli - Bachtöbeli – Strasse nach Wiezikon – Rooset-Waldrand – Steinbruch - Luttenberg – Gupfen – Murg – Öli-Weiher – durchs Dorf. 1,5h. Schön und warm. Jacke um den Bauch.

Werden diese Wochen in Zukunft aus der Rückschau eine Art Zeitgrenze bilden und die Epoche in eine Vor- und eine Nach-Covid19-Periode scheiden? Oder werden wir in einigen Jahren diese Phase als kleine Welle im Zeitenmeer wahrnehmen, nach dem Motto Aufregung auf Vorrat, Viel Lärm um Nichts oder um Weniges? Qui vivera (buchstäblich!) verra.

Tag 4. Dienstag, den 17.3.

Jetzt ist also die Schweiz im Ruhemodus. Beizen und Läden zu, es sei denn Lebensmittel, Take away, Apotheken, Tankstellen, Velowerkstätten, Banken, Post... Was halt so wichtig ist im Land. 8000 Soldaten werden aufgeboten, so viel, wie nie mehr seit dem Zweiten Weltkrieg. Ein Ausgehverbot wie in Nachbarländern gibt es nicht. Noch nicht? Da sind wir froh, dass wir ein Haus mit Raum um uns herum haben.

Um 9h am Radio: „Keine Behinderungen auf Schweizer Strassen“. Das gab es um diese Zeit seit Jahren nicht mehr. (Es war 2013 ein eindrückliches Erlebnis, den Verkehrsfunk an einem gewöhnlichen Werktag so zu erleben, wie zwei Jahre davor jeweils nur am Gründonnerstag oder Pfingstfreitag.)

Die Bahn wird die Züge auf die Hälfte runterfahren. Alle internationalen Zugsverbindungen sind schon gekappt. Ab Donnerstag wird der Verkehr ausgedünnt: Umstellung national vom Halb- auf den Stundentakt, regional vom Viertelstunden- auf den Halbstundentakt. Bahn und Bus. Der ÖV ist bereits jetzt um 50% zurückgegangen.

Das mit den Schulen scheint zu funktionieren. Die Kanti Frauenfeld macht mündliche Aufnahmeprüfungen, nicht mehr als 3 Leute auf einmal im Raum. (Bei mir war das 1961, vor bald 60 Jahren also – der Esel wird langsam alt.)

Europa sucht nach einheitlichem Vorgehen. Das ist nicht einfach, ist doch den Staaten das Hemd näher als der Rock. Wie bei uns ja auch, wenn wir an die Alleingänge der Kantone denken. Und die Zentrale in Brüssel dieser „Moloch“, als der er sonst betitelt wird, erhält nun dafür Schimpfe, dass sie keine Durchgriffsmöglichkeiten auf die Staaten hat. Auch Deutschland zeigt sich als viel föderativer, als wir gemeinhin annehmen: Die Bundesregierung kann den Ländern viel weniger vorschreiben, als der Bundesrat den Kantonen. Sie haben kein so gutes Seuchengesetz wie wir.

In Deutschland sind die Beizen nicht voll geschlossen, erst ab 18h.

Die Zeitungen sind weiterhin voll von Covid19 und so. Die NZZ hat heute total umgestellt: die ersten drei Bünde heissen „Coronavirus“, „Meinungen und Debatte“ bleiben im ersten Bund (alles zu CV), dann CV international, irgendwo eine Sportseite (was gibt es da noch viel zu berichten?), dann CV Wirtschaft, das Feuilleton im letzten Bund, aber dort ganz hinten dann zwei Seiten „International“ mit allgemeinen Meldungen (z.B. Biden und Sanders im Wahlkampf).

Wir haben die Einladung bei Lattmanns zum morgigen Mittagstisch abgesagt. Zu eindringlich sind die Appelle des überzeugenden Bundesrates an unsere Disziplin: Unnötige Kontakte meiden! Wir stellen aber den Cousinen unsere Bibliothek zur Verfügung. Via Milchkasten.

Jetzt sind wir also für 5 Wochen auf uns zwei angewiesen, abgesehen vom Telefon. Das war ja auf unseren Reisen immer so, aber es ist schon speziell, wenn das in den eigenen vier Wänden ist. Die gewohnten Kontakte fehlen. Schon jetzt.

So jetzt gehen wir einkaufen. Mal sehen, ob die Regale auch bei uns leer sind.

Also: Fast alles war da. Nicht bekommen haben wir

  • WC-Papier: „kommt am Nachmittag“ (Was die Leute wohl damit alles machen?) War auch im Denner weg, wo wir schauten, als wir das Postfach leerten.
  • Bananen: Durchfallprävention? Im Denner den zweitletzten Bund ergattert.
  • Chnobli. (Viel Chnobli erschreckt das Virus?). Haben wir dann bei Didi, dem ehemaligen Dorftschugger, gekauft, der in seiner Garage einen guten Gemüse- und Obsthandel betreibt.
  • Orangenmarmelade fehlt, warum auch immer. Jetzt ist Quitte angesagt neben dem Honig und Erdbeer/Rhabarber.

In der Migros sehe ich Frau Giezendanner, meine Dentalreinigerin. Ich erzähle ihr, mein Zahn, den sie als behandlungswürdig taxiert hat, zerbrösle so langsam im Maul, aber ich habe ja einen Termin beim Chef am 7.4. Sie meint, sie hätten gleich ein Sitzung und würden dann nur noch Notfälle behandeln. Zerbröseln sei wohl einer. Sie will für den Erhalt des Termins schauen.

Cousine Ulla hat eine verschleppte Bronchitis. Sie muss aufpassen. Einkaufen müssen wir nicht für sie, das machen Leute aus Eschlikon. Cousin Ruedis 80.er am 5.4. fällt natürlich flach. Schade.

Freundin Marianne, die alleine zuhause sitzt, erzählt am Telefon, dass ihr Enkel in der RS die Unterkunft in der Kaserne Frauenfeld räumen musste und in einen Zivilschutzbunker umziehen. Die Kaserne werde als Reservespital gebraucht.

Das Radio sagt, „...die Schweiz steht weiterhin still...“. Ich glaubte, das habe eben begonnen. Der Hausarrest im umliegenden Ausland klingt bedrohlich. Hoffentlich bleibt er uns erspart. Es würde ja auch nichts bringen, wenn wir hier auf dem Land nicht mehr Spazieren gehen dürften.

Der Druck aufs Zahlen mit Karte steigt. Im Denner haben die Frauen an der Kasse Handschuhe an, sie nehmen aber mein 10er-Nötli an und geben Münz raus. Am Eingang die Desinfektionslösung, die benutzen wir beim Rein- und Rausgehen.

Elo schmückt seit einigen Tagen das Haus österlich. Wir schneiden an der Murg und am Weiher Zweige ab, Haselnuss und Weiden und so. Dann noch Grün aus dem Garten (u.a. Kirschlorbeer, die Neophyte) und das in Bodenvasen vor der Haustür, im Wohnzimmer und oben. Daran kommen dann noch Ostereier und was die Dame so an Osterschmuck hat. Sieht gut aus. Dazu dann noch einige Teller mit Primeli und Grün, fein abgestimmt auf die Farben die Primeln und die Übertöpfe. (Elo hat ein Auge für die Farbabstimmung, das mir fehlt. Immer wieder erschauert sie, wenn sie sieht, was ich aus dem Kleiderschrank rausnehme und an mir kombiniere. Aber dafür habe ich ja dann sie...)

Ich lasse die Voranmeldung für das 68er-Treffen von Lausanne im September raus. Die Arbeiten sind gemacht. Absagen können wir immer noch.

Spaziergang: Hofen (Velo Peter hat die Werkstatt offen, den Landen zu) – Freudenberg – über und entlang Autobahn (es scheint etwas weniger PW zu haben[2]) – quer durch Oberhofen (in Jean-Jacques‘ Haus wird gebaut, anscheinend verkauft) – Badi – Murg (der Bauplatz an der Umfahrung Hofen („Spange Hofen“) ist ganz neu eingezäunt und wird mit Bagger eingerichtet; anscheinend kommt jetzt der Fachmarkt, über den wir schon vor 15 Jahren im Gemeinderat diskutiert haben; nötig wäre er nicht) – via Lohrke (für Elos Medi ) durchs Dorf (auf dem Schulparkplatz fehlen die Autos der Lehrer und der Mamis für Taxi Mamma). 5/4 h. Sonne und Wolken, recht warm.

-----------[2] Es ist wohl so: Am Abend auch erstmals keine Staumeldung im Grossraum Zürich; nur an den Grenzübergängen nach Deutschland stockt es.

Tag 5. Mittwoch, den 18.3.

Am Abend erfahren wir noch das Neueste im TV: Die EU hat die Grenzen dicht gemacht, wie angekündigt. Deutschland fliegt gegen 100‘000 Touristen aus der ganzen Welt zurück. Die WHO spricht von „Infodemie“, die Überflutung mit Meldungen vorab auch in den elektronischen Medien. Das lasse für falsche Neuigkeiten Tür und Tor offen.

Es ist schwierig, zu erkennen, was wahr und was nicht wahr ist. Im Zeit im Bild des ORF2 sehen wir die bisher beste Informationssendung. Unaufgeregt und informativ. Vor allem ein Medienprofessor aus Tübingen ist sehr gut. Er warnt vor dem Trend, allen Blödsinn als gleichwertig gegen das zu stellen, was in hoher Wahrscheinlichkeit richtig ist. Es findet sich für jede Sache ein „Experte“, der die abstrusesten Dinge als real erklärt. Die Journalisten haben die Pflicht, abzuschätzen, was eher richtig ist, und das auch zu benennen. Sonst ist den Verschwörungsfritzen die Tür weit offen. Gleichzeitig müssen sie aber auch immer kritisch und allenfalls unangenehm nachfragen.

In diesem Zusammenhang bemerke ich an mir einen eher ungewohnten Reflex für einen alten 68er. Ich finde, der Bund macht es gut zurzeit. Er gibt Ruhe, geht stufenweise an die Sache dran. Das gibt – auch mir – Sicherheit. Und da stören mich als braven Bürger dann die kritischen Fragen (s.o., 16.3.), das Bohren nach genügend Tests etc. Und ich drücke weg, dass da vielleicht auch in einem Bereich vielleicht nicht alles so gut gelaufen ist. Ich will mich an der Nase nehmen.

Der Boris in England (wenn der Kerl mit seinem Namen wenigstens Russe wäre, da könnten wir ihn viel leichter in die entsprechenden Vorurteilsschubladen versorgen) der Boris also will auch hier einen eigenen Weg gehen: Alles laufen lassen. Wenn sich dann alle mal angesteckt haben, ist das Virus kein Problem mehr. Die schönen Pferderennen finden statt, wie immer usw. Auch für diese Haltung findet er Experten, wie schon angetönt. Aber ganz kommt er mit seinem Feldversuch nicht durch. Es gibt zu viel Protest. Er rudert – etwas – zurück. Er schliesst zwar weder Schulen noch Kneipen, aber fordert die Bürger auf, letztere etwas weniger zu besuchen.

In den Frühnachrichten das erste Mal wieder Nachrichten auch ausserhalb der CV-Welt.

In der Zeitung lesen wir, dass Spazieren gehen ausdrücklich erlaubt ist. Das freut uns!

Im Gegensatz zu Österreich sind bei uns die Kinderspielplätze nicht geschlossen. Kinder stecken sich weniger an. Wichtig sei, die Generationen zu trennen. Das trifft die Alten mehr als die Jungen. Im Kanton Zürich sind Ansammlungen von mehr als 15 Personen verboten und werden nötigenfalls aufgelöst. Im Jura und in der Waadt sind es maximal 5 Personen. An den Bezirksgerichten des Kantons Thurgau werden nur noch wichtige Fälle behandelt. (Die Schlaumeier von der Fifa haben wohl Glück: Dank des CV ist der Prozess ausgesetzt, so wird die Sache bis Ende April dann wohl verjähren. Die Bundesanwaltschaft hat da wirklich eine schlechte Falle gemacht.)

Bis 30. September müssen die ärztlichen Untersuchungen zur Fahrtauglichkeit Alter nicht mehr durchgeführt werden.

Erlaubt wären auch private Fondueabende, sagt jemand in Bern. Das allerdings scheint uns abenteuerlich: Gabeln von einem Meter Länge (Distanz halten), entsprechende Tischtuchstreifen zu jedem (Sauberkeit), Gabel immer vor den Eintauchen in den Käsetopf desinfizieren. Wenn die Botschaft aber ist, dass kleine gemeinsame Essen i.O. sind, hätten wir den heutigen Mittagstisch bei Ruedi und Vreni nicht absagen müssen. Aber wir sind ja brav und folgsam. Wir brauchen die dringlichen und oft wiederholten Aufrufe des Bundes zur Einhaltung der Massnahmen nicht.

Diskutiert werden zurzeit vor allem die wirtschaftlichen Probleme vor allem der Kleinfirmen, aber auch Kulturschaffenden. Die trifft es brutal.

Und dann die Frage, ob genug getestet wird, ob genug Material und Maschinen da sind, für die Zeit, wenn der Höhepunkt der Epidemie kommt. Wir können durch unser Verhalten wohl viel dazu beitragen, dass er verlangsamt verteilt kommt, nicht mit einer starken Spitze wie in Italien, das es schwer getroffen hat. Zurzeit haben wir schweizweit gegen 3000 Fälle[3], im Thurgau 32. Gestern waren es 400 neue Fälle; weniger als am Sonntag.

-----------[3] BAG 15h: Anzahl Erkrankungsfälle: Positiv getestet: 3028 Personen, davon bestätigt: 2772 Personen; verstorben: 21 Personen oder 0,75% der Bestätigten. Ich werde mich auf die bestätigten Fälle konzentrieren, die gemeldeten liegen einige Hundert höher. In Italien gibt es mehr als 31 500 bestätigte Fälle, davon sind 2503 Menschen verstorben oder 7,9%. Die Sterberate ist also 10mal höher.

Lumka, unsere Haushilfe, erzählt, wie für ihre Tochter in der Oberstufe der Unterricht organisiert ist. Am Montag war frei, da mussten sich wohl die Lehrer organisieren. Schon am Nachmittag fragte Elvira: „Mami, was machen wir jetzt?“ Am Dienstag mussten die Schülerinnen ihre Sachen holen. Sie wurden im Viertelstundentakt aufgeboten, jeder für sich allein. Seit heute läuft der Unterricht zu hause. Täglich ohne Mittwochnachmittag von 9 bis 11 und von 2 bis 4. Es herrscht Präsenzpflicht, die Lehrerinnen können das per Telefon kontrollieren. Die Schülerinnen erhalten Aufträge, die Arbeitsblätter werden jeweils per Tablet oder Telefon zurückübermittelt. Das gibt Struktur, hilft den Eltern.

Heute ist es so schön, dass wir das Velo hervornehmen.

Mottos zum Thema CV: TV France 2 heute früh: „Pour s’en sortir il faut s’enfermer.“ (von Schwester Gret). Zeit im Bild ORF2 gestern Abend: Plakat von Pflegerin und Pfleger im Spital: „Bleiben Sie für uns zuhause. Wir bleiben für sie hier.“

Wir werden aus Australien angerufen, von den Mercers mit ihren 5 Kindern. Sie sind CV-mässig noch nicht so weit, und wir konnten ihnen erzählen, was auf sie zukommen könnte.

Der Bund ruft die Schweizer im Ausland zur Rückkehr auf, solange das noch möglich sei. Tourismus+. Wirtschaftswissenschafter fordern Hilfsfonds des Bundes von 100 Mia; das könnten wir sicher gut stemmen, der Bund hat so viel vor gemacht in den letzten Jahren. Und die Nationalbank schwimmt im Geld.

In Wuhan nur noch eine Infektion pro Tag.

Was mir in diesen Tagenauch so auf den Sack geht, sind die anbiedernden Anglizismen. Modern will mann/frau sein. Ruth hat mich auf einen Leserbrief in der Solothurner Zeitung (oder wie sie jetzt heisst, Überblick verloren) einer ihrer Bekannten aufmerksam gemacht, der das Thema gut behandeln soll. U.a. mit dem Hinweis darauf, dass das wichtige Zielpublikum wichtiger Verlautbarungen und Velautbarer ja die Alten sind. Die werden wohl alle gut Englisch können.[4]

-------[4] Sonst muss halt auch hier die Pro Senectute einspringen. Wie beim Problem, dass Billete bald nur noch per Computer erhältlich sind. Da hat die Chefin der PTT, darauf angesprochen, dass die ihre Schalter schliesst, wo es auch noch Billete gab und die Alten bei den Rechnern nicht drauskommen würden, da gebe es doch Kurse bei der Pro Senectute. Ich hätte die Dame an die Wand nageln können.

Daraufhinhabe ich während des Tagesgesprächs von DRS1 um 13 Uhr einmal darauf geachtet. Vorab: Das Gespräch mit dem Eschliker Schulleiter Thomas Minder, Präsident alle Schweizer Schulleiter war sehr gut, informativ, unaufgerget, klar. Minder machte einen guten Eindruck. Aber folgende Anglizismen kamen vom Interviewer und von ihm vor. „Grounding“: der Schule, womit sie wohl auf das Niveau der Swissair gesenkt oder gehoben ist; Schliessung hätte gereicht, ohne die wohl intendierte Dramatik. „Newsletter“ (da habe ich auf die Schnelle auch keine Übersetzung).“Lock down“ der Schweiz: Runterfahren wäre eine Alternative, aber auch hier Dramatik; wohin werden wir wohl gelockt? “ Social Distancing“: Warum nicht Abstand halten? Das geht auch ohne sozial für die sozialen Kontakte. „Home office“ ist wohl schöner als das gute alte Heimarbeit[5]. „Distance Learning“: für Fernunterricht. „Online Tool“ (für online fehlt mir das Wort). „Data share“ für Daten teilen. „Home schooling“ für Schule zuhause. „Social Media“ für elektronischen Austausch(auch nicht eben elegant, zugegeben, dafür nicht den Anschein erweckend, das Ganze sei sozial wo es doch allerhöchst gesellschaftlich sein könnte und meist gar nicht ist.). „Gamen“ für am Bildschirm spielen.

------------.[5] Elo würde diesen Begriff, der historischen Wurzeln hat, nicht nehmen, ich schon, denn auch hier sind die Arbeitsinstrumente im Haus. Gute Ansätze sind auch Telebüro, Telearbeit.

All das in 25 Minuten. Sprachlich zum Kotzen, und die Verluderung zeigt sich auch darin, dass auch wir, die der Sache kritisch gegenüber stehen, oft schon nicht mehr wissen, wie es heissen könnte. Natürlich sollen wir nicht puristisch sein, wie oft die Franzosen. Aber wo es gute Begriffe gibt, sollten wir diese nehmen und uns nicht pseudomodern oder pseudojung geben. Zur Sprache sollten wir Sorge tragen, auch in diesen Zeiten.

Velotürli, erstes dieses Jahr: Hofen (Velo pumpen beim Velo Peter) – Büfelden – Hurnen – Balterswil – Bichelsee- Dussnang – Oberwangen – Anwil – Gupfen – Büfelden – Hofen- duchs Dorf heim. 19.7km, Vmax 37,9, Vø 15,8. Zeit 1h14‘. Für den Anfang ok. Projekt eBike rausgeschoben. Wetter schön und warm, wenig Wind.

Etwas anderes:

„Steigern sie ihr Gehirn“ heisst es in einer elektronischen Werbung bei meinem Natel-Spiel Solitaire. Wenn ich in der Auktionswelt wäre, müsste ich es, das Hirn, von jemandem – wem? – zurückkaufen. Ohne dass ich es vorher verkauft hätte. Ansonsten? Steigern auf welche Spannung, auf welche Höhen? Dem Schwachsinn sind auch weiterhin keine Grenzen gesetzt. Da hilf auch das Covids19 nicht.

Wieder CV:

Der Bundesrat hat beschlossen: Die eidgenössische Abstimmung vom 17.5. wird verschoben, da keine öffentliche Meinungsbildung möglich ist (u.a. SVP-Initiative zu Europa). Medikamente werden rationiert, um Hamstern zu verhindern und die Versorgung sicherzustellen. Die Einreisebeschränkungen werden gestrafft. Es gibt einen halbjährlichen Betreibungsstopp, wodurch die Regierung Zeit erhält, die Finanzhilfe für die Wirtschaft zu organisieren.

Allgemein setzt die Krise viel Disziplin (teilweise, Solidarität und Kreativität frei. Es gibt spontane Initiativen zur gegenseitigen Hilfe, neue Ideen wie Hilfsmittel, dass wir die Türgriffe nicht anfassen müssen etc. entstehen.

Tag 6. Donnerstag, den 19.3.

Gestern Abend. England schliesst jetzt doch die Schulen. Aber Beizen bleiben weiter offen. Boris laviert schrittweise retour. In Italien hatten sie 475 Tote an einem Tag!

Daniel Koch, der Chef ansteckende Kranke im Bundesamt für Gesundheit (s.o.), war gestern eine Stunde in der Rundschau von DRS TV. Sehr gut, ruhig, bestimmt. Es hat genug Gesichtsmasken für die Spitäler. Es hat genug Medikamente. Viel-Testerei bringt wenig,[6] auch wenn in der Schweiz bei Vorhandensein von mehr Testmaterial mehr getestet wird. Jetzt ist alles aufgebraucht, was nicht unbedingt in Spitälern benötigt wird. Die Zahl der Tests stieg von 2000 auf vorgestern 7000 pro Tag. Vermutlich viele unnötige. Und dann immer wieder: Haltet Euch ans Abstandhalten, das allein bringt es wirklich, um die Spitäler vor dem Kollaps zu retten.

--------------[6] Mein Verdacht: Viel testen = viel Scheinsicherheit, und dann wird die Hauptmassnahme Abstandhalten weniger beachtet, was schlimm wäre.

Daniel Lampart, der Chefökonom des Gewerkschaftsbundes, in der gleichen Rundschausendung: Viele Bauunternehmer unternehmen nicht das, was sie könnten, das was sie müssten: weiterhin überfüllte Baubaracken, vollgestopfteTransportminibusse. (Sie werden es sich selbst zuzuschreiben haben, wenn die Baustellen geschlossen werden.) Der Bundesrat scheint auf morgen diverse wirtschaftliche Massnahmen zu planen.

Heute: In den Zeitungen kommen nun auch wieder andere Meldungen durch. Wird aus der Aufregung Alltag?

Bestätigte Fälle heute früh 3438, 33 Tote, 0.95%.

Südkorea, das für seine Viel-Testerei gerühmt wird (in Kritik am Bundesrat), hat pro 10‘000 Einwohner gleichviel bestätigte Todesfälle wie die Schweiz (33, Italien 51)

Das kantonale Schwingfest in Dussnang vom 3.5. ist um ein Jahr verschoben. Die Jahresversammlung des Hauseigentümerverbandes, auf der wir servieren sollen, auf September. Die Polizei Thurgau schränkt den Publikumsverkehr auf 10 Posten ein. Wohl nach dem Motto: Böse Buben und Mädchen, bleibt bitte daheim. Wir müssen nach Aadorf, Münchwilen bleibt zu.

Die Swiss hat noch 14 Flugzeuge in Betrieb. Sie wird ab Montag auf 6 runtergehen.

Die SBB will runterfahren. Im Onlinefahrplan heisst es: „Hinweis Coronavirus: Der gesamte öffentliche Verkehr der Schweiz wird ab Donnerstag 19. März 2020 stark reduziert. Auf dem gesamten nationalen und internationalen Netz ist mit Ausfällen, Anschlussbrüchen und Verspätungen zu rechnen. Bitte konsultieren Sie vor jeder Reise den Online-Fahrplan. Dieser wird jeweils am Vortag bis 20 Uhr für den Folgetag angepasst.“ Bei uns ist es im Regionalverkehr noch gleich wie vorher.

Die Nationalbank erhöht die Liquidität der Banken, damit diese erleichtert Kredite geben kann. Sie verzichtet z.B. auf Negativzinsen. Auch stützt sie den Franken weiter mit Milliardenkäufen. (Die Reporterin fragt Nationalbankdirektor Jordan: „Was glauben Sie, wird die Schweiz diese Krise meistern?“. Saudumme Fragen. Was bleibt uns anderes übrig? Und wenn nicht, verkaufen wir dann das Land an Deutschland, oder Frankreich oder Italien. Oder an Trump oder Xi Jingping?)

Der Bund kauft via Armee 900 Beatmungsgeräte. Diese werden auch in der Schweiz produziert. Im Bündnerland.

Der Präsident der Beizer und Hoteliers erzählt im Mittagsgespräch am Radio, dass das Hotel Schweizerhof in Bern am Bahnhof gerade mal 4 Gäste hat. Er erwartet einen Ausfall für die Gastronomie bis Mai von 3-5 Milliarden Franken. Viele Betriebe haben immer überlebt, aber bei geringer Marge. Daher haben sie keine Reserven. Die Einnahmen gingen schon in den letzten Wochen zurück, aber jetzt plötzlich auf Null. „Soloselbständige“ als neuer Begriff.

Kurzarbeit: Das System muss vorübergehend angepasst werden: 100% statt 80% des Lohns? (Ich könnte mir das für Kleinverdiener, bei denen es entscheidend ist, vorstellen, allenfalls bis Einkommensgrenze.) Geld auch für das Kader und die Besitzer bei Klein- und Kleinstbetrieben, ebenso für temporäre Angestellte (läuft schon). Es scheint schon viele Entlassungen gegeben zu haben.

Kurzarbeit II: Die Ämter sind total überlastet, und die Auszahlungen dürfen nicht, wie bisher, etwa 6 Wochenoder mehr auf sich warten lassen. Das ist anforderungsreich für die Verwaltung.

Velotürli: Büfelden – Anwil – Moswangen – Littenheid – Egelsee – Wilen – Kanti Wil – Gloten - Dreibrunnen – St.Margarethen – Münchwilen – Sirnach (Fischmann).22,05km, Vmax 39.7, Vø 16.4, 1h21‘.

Auf dem Velo ging mir durch den Kopf:

Es macht mir Mühe zu akzeptieren, dass ich zu einer Risikogruppe gehöre. Zwar waren wir uns das 68 an der Uni gewohnt, und es war gewollt. Aber jetzt altersbedingt, das ist schon etwas anderes. Ich würde gerne helfen, sei es anderen Leuten, sei es der Gemeinschaft z.B. durch Büroarbeit zur Entlastung der Verwaltung in Arbeitsämtern oder so. Aber da sind wir eben nicht gewünscht. Bleibt nur noch fleissiges Telefonieren mit Leuten, die allein sind in ihren Wänden.

Wir sehen viele kleine und grössere Kinder mit ihren Eltern unterwegs. In der Rückschau werden sie vielleicht einmal sagen, das sei eigentlich eine schöne Zeit gewesen. Nie hätten die Eltern vorher und nachher so viel Zeit für sie gehabt, sich so viel Zeit für sie genommen.

Bäume und Sträucher blühen früh dieses Jahr. Viele Zierbäume in den Gärten, Dornen an den Hecken, aber auch schon Spaliere an den Hauswänden

Abendnachrichten.Uri prescht vor: die Alten dürfen nicht mehr einkaufen (sie hätten sich nicht an die Abstandsregeln etc. gehalten). Spazieren dürfen sie noch. Das kann ja heiter werden. Daniela Lattmann, die Schwiegertochter von Vreni und Ruedi, ruft an und versichert uns ihrer Mithilfe, wenn es nötig wird. Das tut gut.

Die Einkaufszentren regeln die Zahl der Einkaufenden nach Fläche. Genf und Waadt schliessen die Baustellen, was auch die Gewerkschaft Unia fordert, aber vom Baumeisterverband abgelehnt wird, der seine Mitglieder zu disziplinieren versucht.

Die Soldaten in der Rekrutenschule können nicht mehr nach Hause, der Urlaub ist gestrichen. Die Mobilmachung der Santiätssoldaten làuft nicht mehr wir früher per Plakat sondern per SMS. Tempores mutantur sagten die alten Römer, aber ob nos mutamus in illis klappt, ob wir uns erfolgreich anpassen können, muss sich erst noch zeigen.

Tag 7. Freitag, der 20.3.

Gestern Abend waren wir schliesslich völlig genervt. Wir wollten einen Krimi sehen, aber der war wegen einer der vielen CV-Sondersendungen rausgeschoben. Da sind wir halt in die des Schweizer TV eingestiegen. Das hätten wir besser gelassen. Was uns am meisten interessiert zurzeit, ist wie wir noch aus dem Haus können. Wir, und vor allem Elo mit ihrem Bewegungsdrang, brauchen das. Aber alles ist unklar: Uri verbietet einkaufen, erlaubt spazieren. Die Stadt Freiburg das Gegenteil. Jeder ist Experte, jeder hat eine andere Meinung oder Behauptung zur Hand. Im TV war es dann so: Der eine ist dafür, der anderen mit Einschränkungen, der Chef von Pro Senectute spricht von möglichen Beinbrüchen, die die Spitäler lahmlegen könnten (!, wie wenn das zuhause nicht auch passiert) und der Moderator stochert in allen Richtungen – Chaos pur! Daniel Koch vom BAG möchte Spazieren offensichtlich nicht verbieten. Wenn der politische Druck aber zu stark wird und ein solcher Schritt angeordnet wird, sollen sie das bitte klar sagen. Dann müssen und können wir uns darauf einstellen. Auf dem Lattenzaun zwischen es geht und es geht nicht zu sitzen, ist unbequem.

Die Zeitungen warnen, dass der Zustelldienst am Morgen vielleicht nicht aufrechterhalten werden kann. Dann müssen wir Postfachmenschen zuerst zur Post, bevor wir frühstücken können. Die WOZ und das Tagblatt können jetzt gratis elektrisch gelesen werden. NZZ? Die können wir als Abonnenten aber sowieso gratis lesen.

Ich habe, auch wenn ich weiss, dass die in Bern in Mails ersaufen, eines an die Epidemiologieabteilung des BAG geschickt mit der Bitte um Klarstellung: Was geht, was nicht, was auf dem Land, was in der Stadt? Mit Kopie an Köby Stark unseren Sanitätsdirektor und an Heidi Hanselmann, die Präsidentin der Sanitätsdirektorenkonferenz. Nützt’s nüt, so schad’s nüt. Oder wie Marx am Schluss seiner Schrift zum Gothaer Programm sagte: Dixi et salvavi anima mea, ich habe es gesagt und meine Seele gerettet oder frei übersetzt: Dampf abgelassen.

Die Antworten regional kamen schnell, überzeugend (das BAG bat um Verständnis, dass Mails nicht mehr einzeln beantwortet werden konnten): Aus dem Büro Hanselmann nach 1 Stunde ein Anruf mit Beratung („wir erhalten auch nicht immer klare Infos; gehen sie nur raus, solange sie können“) von Köby Stark nach 2h ein ausführliches Mail mit analogem Inhalt, ausführlich und mit guten Wünschen.

Eben waren wir noch auf einer kleinen Einkaufstour: Im Denner haben wir ein Pack WC-Papier (8 Rollen) gekauft (vor dem Laden hat Geschäftsführer Ernst ein Schild aufgestellt: „Wir haben jetzt wieder WC-Papier“ – was in so Zeiten alles nötig ist!), dann beim Metzger etwas zum Grillen in Cheminée am Samstag. Karli sagt, er werde notfalls gerne nach Hause liefern. Was das WC-Papier betrifft,kann ich jetzt die Zeitungen zusammenbinden, aber diesen Notvorrat behalten wir noch.

Nun wollen wir dann sehen, was der Bundesrat heute beschliesst. Er wird am Nachmittag informieren. Die EU will nun, dass an den Grenzen – auch zur Schweiz – von den Ländern kein medizinisches Material mehr blockiert wird, dafür aber auch nichts aus der EU raus exportiert wird (die seit längerem an der Grenze blockierten Lastwagen mit z.B. Gesichtsmasken werden nun wohl freigegeben werden von Frankreich und Deutschland). Mal sehen, wie sich die Länder an die Vorgabe aus Brüssel halten. Die Werbung der Printmedien bricht weg. Tagesanzeiger macht Kurzarbeit.

Der Gewerbeverbands-Präsident Bigler bringt am Radio in Analogie von Too Big To Fail bei Banken und Fluglinien für das Gewerbe, die KMUs, den Begriff Too Many To Fail. Stimmt wohl, auch wenn ich ihn sonst schon gar nicht mag.

Bestätigte Fälle 12h: 4176 (+737), Tote 43 (+10) oder 1.02% (+0.07). In Italien ist die Todesrate auf viele Hundert pro Tag angestiegen. Die Krematorien kommen nicht nach. Und die Infektionsrate steigt weiter.

Am Mittag schlissen wir uns am Fenster dem landesweiten Klatschapplaus an, als Dank für alle jetzt alles geben in Spitälern und so. Wir klatschen gemeinsam mit den Nachbarn, auf deren Terrasse wir sehen, wo sie am Mittagessen sind. Alle drei Töchter zuhause.

In einem schnell und doch recht gut produzierten Buch zum aktuellen Geschehen rät der österreichische Autor Thomas Brezina im Rahmen von vielen guten Ratschlägen (nicht alle gleich gut, aber es musste ja schnell gehen, wenn es wirken soll in dieser Zeit) auch zu „Nachrichten-Diät“. Das ist sicher nicht das Dümmste, zumal zurzeit oft mehr Verwirrung als Information rüber kommt.

Das Buch kann unter www.edition-a.at gratis runtergeladen werden. Elo als ausgemachte Pessimistin – positiv gesprochen: Realistin – nützen diese Ratschläge wenig. Mir schon. (Als meine Mutter einmal den Vater ausschimpfte, er sei ein unverbesserlicher Optimist, und dieser antwortete, sie sei eine unverbesserliche Pessimistin, bemerkte ich als ganz kleines Kind: „Gäll Vatter, ich bi de gliich Mischt wie du“, und das stimmt. Mutter hat Vater fast 40 Jahre überlebt, es scheint, dass sie die bessere Strategie hatte. Bei uns zwei ist es noch nicht ausgemacht, zum Glück. Denn Leid tun uns alle, die jetzt alleine zuhause sein müssen. Mit wem streiten sie?)

Infos am Mittag: YouTube wird wie Netflix die Auflösung der runtergeladenen Dateien beschränken, um die Netze zu entlasten.

Velotürli: Via Bichelsee wie oben, Distanz 19.2km, Vmax 35.9,Vø16.8, Zeit 1h 8‘. Leicht bewölkt, warm.

Nun hat der Bundesrat informiert:

  • Nicht mehr als 5 Personen im öffentlichen Raum, Bussenandrohung von 100 Franken. Pro Person.
  • Druck auf das Baugewerbe, sich an die Vorschriften zu halten; auch hier die 5-Personen-Regel
  • Kantone erhalten Zivilschutzkontingent
  • Für die Wirtschaft zusätzlich 32 Mia, also insgesamt 40 Mia
  • Kurzarbeit und Liquiditätshilfe unterstützt, Mechanismen vereinfachen, Zugang zu Bankkreditenvereinfachen (bis 500‘000 steht der Bund grad, da soll es 30 Minuten gehen auf der Bank, darüber etwas länger, dort bis 10% Umsatz, max. 20 Mio), keine Betreibungen bis 20. April, Unterstützung für Kultur (280 Mio, z.B. für Künstler, die kein Taggeld bekommen), Sport (100 Mio), Tourismus, Selbständige ohne Versicherung (max. 196 Franken pro Tag), Eltern, die zuhause bleiben müssen
  • in Zukunft 2x pro Woche informieren
  • Keine Ausgangssperre, aber dringender Appell, zuhause zu bleiben: «Wir sind fast bei einer Ausgangssperre, aber wir machen keine Spektakelpolitik». Die über 65-Jährigen müssten nun wirklich zu Hause bleiben. Auch die Jungen müssten das ernst nehmen. (Zürich sperrt Seeufer.)
  • Post darf online bestellte Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs auch sonntags zustellen

Wir sind also nicht eingeschlossen, wir dürfen spazieren und einkaufen.

Ein Beitrag im Echo der Zeit: Haben wir, hat der Bund vor der Pandemie genug gemacht gehabt? Zurzeit ist das eine müssige Frage, die ausser zur Verunsicherung beizutragen nicht weiter hilft. Gestern sagte einer richtig: Das müssen wir dann nachher beurteilen, dann aber richtig.

Der Kanton Graubünden verpflichtet alle Personen mit Gesundheitsausbildung zur Meldung, dass sie eventuell eingesetzt werden können.

Auch in den USA wird gehamstert. Aber nicht nur WC-Papier sondern auch Waffen. Elo meint, sie wollen wohl das Virus erschiessen. Da lob ich mir das gute alte Europa. Lieber einen sauberen Hintern als ein Loch im Bauch.

Soweit die 1. Woche.

Ganz schön viel los, ganz schön fordernd. Grade für uns alte Chläuse und Chläusinnen – to be politically correct, more or less.


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11. Woche und Rückkehr