Reise ins Coronaland/5

Tag 22. Samstag, den 4.4.

Jetzt gehen wir also in die vierte Woche.

Was ich heute der Zeitung entnahm:

  • Im Thurgau wird an der Urne über die Gemeinderechnungen abgestimmt. Die Rechnungsgemeinden in den Turnhallen etc. sind untersagt. Also Abstimmung ohne Diskussion. Komisches Gefühl.
  • Die Post fürchtet Überlast und schränkt den Versandhandel ein. Es wird nun halt jeweils dauern, bis online-Bestellungen ausgeliefert werden. Aber wir haben ja Zeit.
  • Interkontinentale Reisen, so der Touristikprofessor aus St.Gallen, werden frühestens 2021 möglich sein. Die Zugvögel werden also noch eine ganze Zeit schneller sein als wir.
  • Die Debatte um die Rückführung der Massnahmen wird stürmischer. Gewerbeverbandspräsident Bigler und andere machen sich stark für einen möglichst schnellen Ausstieg aus den Massnahmen, damit die Wirtschaft wieder funktionieren könne. Dabei stützen sie sich auf Befürworter der Herdenimmunisierung durch weitgehende Ansteckung. Frau Blocher-Martullo koppelt das mit der Forderung nach massenhafter Einführung von Gesichtsmasken (aus China). Die würden es dann schon richten. Woher sie das Wissen über die Wirksamkeit der Masken hat, ist schleierhaft. Sie schimpft auch auf Verteidigungsministerin Viola Amherd. Warum, alte Geschichte?
  • Südkorea, das hochgelobte Land, muss die Massnahmen auch mindestens 2 Wochen verlängern. Da sollten unsere Wirtschaftsstürmi doch etwas bescheidener sein in ihren Forderungen.

Gymnastikprogramm gemacht.

Unsere Einkaufsgewohnheiten haben sich weiter entwickelt. Wir haben Peter Kaufmann, den Dorfmilchmann, der mit seinem Auto durchs Quartier fährt und die Anwohner mit Milchprodukten und Lebensmitteln beliefert, aktiviert. Davor hatten wir das Gefühl, nicht auf ihn angewiesen zu sein, denn wir haben ja ein eigenes Auto... Jetzt sind wir froh um ihn und werden ihn auch nachher nicht vergessen. Er hilft uns, wir helfen ihm. Einmal was Gutes!

Auch die „Modernisierung“ meiner Bezahlmethoden hat das CV vorangetrieben. Um die Bargeldzahlung beim Gemüsehändler Didi zu umgehen, habe ich TWINT, die App der Schweizer Banken des bargeldlosen Geldverkehrs, aufs Natel geladen. Nun kann ich mit seiner Natelnummer das überweisen, was wir ihm schuldig sind. Es braucht nicht mal ein Apparätli auf seiner Seite. Praktisch. Aber wieder ein Schritt in eine Richtung, die mir nicht gefällt, denn ich bin ein ausgesprochener Liebhabern von Münz und Noten.

Velotürli: Bichelsee-Obewangen-Runde, 19,2 km, Vmax 40,5, Vø 15,7, 1h13. Steife Bise, viel Gegenwind.

In allen Gärten wird gearbeitet. Nie waren die Hausgärten wohl so gut in Schuss, wie sie es nach der CV-Zeit sein werden.

Auf dem Velo werden wir immer wieder von riesigen Traktoren mit noch riesigeren Landmaschinen überholt (an den Rand gedrängt). Was da für ein Kapital gebunden ist. Woher kommt es? Landwirtschaft hilft allen – Bauern. Nachdem der Bauernverband angesichts der Umweltproteste und der drohenden Landwirtschaftsinitiativen den Anschein machte, etwas gelernt zu haben, ist bei ihm nun angesichts der CV-Krise eine neue Kehrtwende, hin zur alten Linie, zu beobachten. Dass sich Verbandspräsident Ritter nur mal nicht täuscht.

Wir fahren nicht auf Wegen, wo es viele Wanderer haben könnte, um diese nicht zu belästigen. Wir verstehen die Gemeinden, die Zugänge zu Seeufern etc. beschränken. Die Leute sind auch gar zu uneinsichtig. Und die dringenden Aufrufe, nicht Autoausfahrten zu machen, nicht ins Tessin zu fahren, sind wohl notwendig. Hoffen wir, dass sie auch einigermassen fruchten und wir nicht noch stärkeren Einschränkungen ausgeliefert sein werden.

Was mir besonders stinken würde, wäre, dass diese Einschränkungen aufgrund mangelnder jugendlicher Einsicht (zu beobachtende Rudelbildung etc.) käme und wir sie dann bei einem schrittweisen Ausstieg länger am Hals hätten, als die, die sie verursachten. Aber es gibt eben auch Alte ohne Hirn.

Die Dummen und die Bösen sind unter allen Völkern, Altersgruppen und Gesellschaftsklassen gleichmässig verteilt. Das sage ich schon lange.

Wer hat das Virus zuerst in Ghana eingeschleppt? Der Botschafter Schwedens, dem Land, das sich mit der lockeren Politik rühmte und noch rühmt.

In Ecuador schlägt Covid19 gnadenlos zu. In Guayaquil, wo wir vor gut 4 Monaten noch waren, sind die Strukturen so zusammengebrochen, dass die Leichen nicht mehr abgeholt werden können und von den Einwohnern auf den Strassen deponiert werden! Ecuador hat sehr viele Expats in Spanien, von wo diese das Virus eingeschleppt haben.

Was ein Glück, dass wir in einer solchen Situation nicht in einem so betroffenen Land oder auf einem Kreuzfahrtschiff sind. Es hätte uns leicht passieren können. Also sollten wir uns nicht zu sehr beklagen.

Bei uns hat es vor gut 100 Jahren nicht viel besser ausgesehen, als in lateinamerikanischen oder indischen Elendsquartieren:

                                                              Am Birsig in Basel

Ich hatte den Eindruck, dass sich der Fischreiher, der immer unsere Goldfische stibitzt hat, sich Bersets und Kochs Aufruf nach Distanzhalten zu Herzen genommen habe. Er hat sich seit dem Beginn der Massnahmen nicht mehr blicken lassen. Es sei denn, er käme, bevor ich am Morgen aus den Federn bin. Und prompt: Elo, die meist vor mir aufsteht, hat ihn wieder gesehen.

Heiri Limacher, unser Freund und Spitalplaner, erzählt mir, dass es in der Schweiz unter dem Boden 60‘000 (!!!) Spitalbetten gibt. Militär und Zivilschutz. Gepflegt und gewartet. Was ist mit diesen?

Die Notfallabteilungen der Spitäler haben 30 – 50% weniger Fälle. Neben der Annahme, dass alle jene ausbleiben, über deren unnötigen Notfallbesuche bisher geklagt wurde, scheint aber klar, dass auch notwendige Notfallbesuche nicht gemacht werden. Haben die Leute Angst, dort angesteckt zu werden? Das kann für das System später gröbere Folgen haben.

Und es kann zu Todesfällen führen. In welcher Statistik tauchen diese Fälle auf? Sind es CV-Fälle?

Ketzerische Fragen:

  • Warum ist das AHV-Alter (der Männer, ich gebe es zu,) die Barriere, die bestimmt, dass ich ein Risikofall bin?
  • Und: ist Alter per se eine Krankheit? Ist „Ü65“ schon in den ICD-10-GM (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, German Modification) aufgenommen? Oder müssen wir auf ICD-11-CHM warten?
  • Und was macht der, der gestern noch ein normales Mitglied der Gesellschaft war und jetzt dummerweise Geburtstag hat? Und wenn das dann nach einer schrittweisen Rückführung der Massnahmen passiert? Hat er dann noch das Anrecht auf den früheren Freiheitszustand oder nicht? Gilt hier der Rechtsgrundsatz Pacta Sunt Servandi, nach dem unter altem Recht geschlossene Verträge im neuen Recht auch noch Gültigkeit haben?

Ich weiss, dass der Entscheid einer wie immer gearteten künstlichen Grenze notwendig war, denn es galt ja nicht in erster Linie uns Alte zu schützen, sondern das Gesundheitssystem vor uns. Wir sind anfälliger, haben schwerere Verläufe, sterben häufiger und das dann noch oft im Spital. Aber dann sagt das bitte auch deutlich.

Elos ketzerische Vorstellung vom Ausstieg: Die Jungen können wieder wie gehabt, wir Alten bleiben eingesperrt. Und zwar solange bis wir sterben – aber sicher nicht an Corona. Tröstlich ist dann vermutlich nur, dass die Gesellschaft ihre lieben Alten sehr gut geschützt hat.

Wir sind Coronioren. Corona Senioren.

                       Mein Arbeitsblatt von heute

Und noch eine Denkschlaufe zum Thema Wissen, um das es ja jetzt immer geht. Wir wissen genau, dass wir nichts wissen oder wenigstens nichts genau. Und doch plustern sich die vielen „Experten“ auf und fordern auf der Basis ihres (Nicht)Wissens dies und das und wenn möglich auch noch das Gegenteil. Und sagen dann, nachdem sie auf allen Ebenen Druck gemacht haben, dass natürlich die Politik entscheiden muss. Die damit den Schwarzen Peter auf sicher hat.

Zu guter Letzt und gute Nacht (Danke! Fifi):

Tag 23. Sonntag, den 5.4.

Die Beschimpfung der Alten geht in den Zeitungen munter weiter. Wir fühlen uns permanent am Pranger. Ob das alles so gemeint ist, steht auf einem anderen Blatt, aber für uns stellt es sich so dar: Die Jungen werden leiden müssen (woher werden die Kredite finanziert?) und die Alten sitzen auf ihren fetten Pensionen AHV-Minimalrente als fette Pension. So können nur recht fantasielose Journalistinnen oder Journalisten schreiben.

Überhaupt das mit der AHV. Die NZZ am Sonntag spricht vom kommenden Milliardenloch wegen der Pensionierung der Babyboomer, der Generation mit den vielen Kindern. Sie wird wohl die Informationen direkt aus den Versicherungs- und Pensionskassenhauptquartieren haben. Seit ich mich erinnern kann – und das ist ja bei meinem Alter schon eine ganze Weile – wird die AHV totgesagt. Und wenn das Wort von den Totgesagten, die länger leben, stimmt, dann bei der AHV. Sie ist der privaten Geldindustrie schon immer ein Dorn im Auge. Am besten schaffte man sie ab und überliesse alles dem „Freien Markt“, dieser Chimäre.

Der Neoliberalismus erlebt seinerseits jetzt eine krachende Krise. „Wir müssen sparen“, „weniger Staat“, „den Marktkräften vertrauen“, „Welthandel“, „Shareholder Value“ – wo sind sie geblieben? Nachdem weltweit in der Konjunktur mit Hilfe von McKinsey&Cie die Firmen „verschlankt“ wurden, die nicht direkt der Produktion dienenden Anlagen verschleudert, die Reserven aufgebraucht und nahe Null gefahren, die Lagerhaltung abgebaut, die Produktion von Zulieferbestandteilen ausgelagert, nachdem der Staat nach Möglichkeiten runtergefahren und ausgehungert wurde, nachdem Steuergeschenke an Reiche und Superreiche links und rechts verteilt wurden, nachdem Steuerschlupflöcher toleriert wurden, nachdem... Und wenn nun die Krise kommt, dann darf es der Staat mit den von uns geäuffneten Mitteln richten. Mehr Staat, Grenzen zu, Märkte abschotten, jeder für sich selbst zuerst. Fluglinien retten, Automobilkonzerne retten, Kurzarbeit finanzieren, Betriebskredite sprechen. Eben nach dem Motto „Gewinne privatisieren, Verluste vergesellschaften“ (letzteres wie im Sozialismus).

Und wenn der Staat dann sein Teil zu diesem Spiel beigetragen hat, dann darf, soll, muss er sich möglichst bald wieder in die alte Rolle zurückziehen. Der Druck der Wirtschaft und ihrer Parteien in dieser Richtung läuft bereits.

Petra Gössi von der FDP verlangt die möglichst schnelle Wiedereröffnung der Schulen und kleinen Geschäfte, „in denen die Sicherheitsmassnahmen eingehalten werden können“ (wer kontrolliert das?). Wohl auch, damit die Arbeitskräfte wieder frei werden. Möglichst schon nach den Osterferien. Mehr als scheinheilig ist allerdings, dass sie sich mit einer Rückfallposition den Rücken frei halten will, unter Abschiebung der Verantwortung an die Behörden, die sie eben noch unter Druck gesetzt hat: „Ich wünsche mir das möglichst schnell. Dabei ist allerdings wichtig, dass Lockerungen gesundheitspolitisch vertretbar sind.“

Die SP fordert dagegen Investitionsprogramme, die durchaus dem Mittelstand zugute kommen könnten und die Schweiz wettbewerbsfähig machen auf der internationalen Ebene: Infrastruktur, Digitalwirtschaft und – dem Zeitgeist nicht ganz fremd in diesen Wochen – Gesundheitswesen.

Dass der Wirtschaftsliberalismus bei nicht völlig freie Fahrt erhält wie in den USA, verdanken wir unserer doch gut funktionierenden Demokratie. Eine nicht völlig ausgeblutete Linke, erstarkende Grüne – das kann mit einer geschickten Politik unter Einbezug der Mitte die wilden Reiter an der rechten Flanke in Zaum halten. Gutschweizerisches Gleichgewicht eben. Auf allen Ebenen. Extreme sind in den Jahren unserer eigenen Lebenserfahrung in der Schweiz nie in den Himmel gewachsen. Die letzten Wahlen lassen grüssen.

Elo sieht dem schrittweisen Zurück in normale Verhältnisse mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie befürchtet, dass alles unter 65 bald gegen normal geht, alles für die über 65 allenfalls noch verschärft wird. Dass sie uns einsperren, um mehr Luft zu erhalten. Das wäre, vornehm gesagt, sehr unschön. Mit dem was ist, können wir leben, aber mehr?

In verschiedenen Ländern geht es den Fledermäusen an den Kragen, die als Virusüberträger verschrien sind. Sie sind sehr resistent gegen solche Dinger. Aber wenn wir sie nicht essen und auf Wildtiermärkten anbieten würden, könnten wir uns solche Massnahmen, die wohl eh nichts bringen, sparen. Und sie vertilgen übrigens Unmengen von Insekten, pro Tag bis zur Hälfte ihres Körpergewichts.

Die Sache erinnert mich an die Ausrottungsbemühungen der vier Übel im China der frühen 50er-Jahre (Ratten, Fliegen, Moskitos und Spatzen). Die Spatzen waren im Visier, weil sie Saatgut frassen, gerne frassen. Sie wurden so ausgerottet, dass ganze Landstriche gleichzeitig stundenlang Lärm mit Töpfen, Pfannen, Bambustrommeln usw. machten, bis die Spatzen, die sich nirgendwo hinsetzen konnten, schliesslich tot vom Himmel fielen. Die Kampagne war lokal sehr erfolgreich. Nur dass sich jetzt die Schädlinge, die die Spatzen bisher neben dem Saatgut effizient gefressen hatten, unvermindert vermehren konnten. Wie Elo es in einem frühen Schulaufsatz über die technologische Entwicklung unserer Vorfahren nach jedem Schritt mechanisch am Schluss des Absatzes festgestellt hat: „Auch davon kam man wieder ab.“

Die Bauern verkaufen mehr Früchte und Gemüse. Offensichtlich verbessert sich die Ernährung, wenn zuhause gegessen wird, statt im Take Away Convenience Food zu kaufen (schöne Begriffskette für Vorfabriziertes Futter vom Strassenverkauf), das dann stehend oder im Zug aus Plastikbehältern runtergeschlungen wird. Für die Volksgesundheit zu wünschen wäre noch, dass Früchte und Gemüse nur gegessen werden könne, wenn nicht nebenbei auf einen Bildschirm geglotzt und in eine Tastatur getöggelt wird.

Die Abstands- und Gruppierungsregelungen scheinen, von einigen Idioten abgesehen, recht gut eingehalten zu werden. Die Apelle wirken hoffentlich.

Velotürli: Vergessen aufzuschreiben, aber Bichelsee, wie unten.

Auf der Velotour haben wie ein Auto mit Tessiner Nummer gesehen. Darf jetzt ein Deutschschweizer ins Tessin?

Dem lokalen Autohaus Greco haben sie offensichtlich die grosse Autowaschanlage zugemacht. Da herrschte bis gestern reges Leben. Wir wundern uns ja schon lange, wieviel in den Hochglanz der Blechkarrossen investiert wird. Ob das in den Leasing-Verträgen vorgeschrieben ist? Die Schliessung lief offensichtlich auch an anderen Orten der Schweiz. Als wir jedoch vorgestern mit dem Velo vorbeifuhren, herrschte wieder reger Betrieb.

Als wir Kinder waren, nannte Mann das nicht Home Office, sondern Frau am Herd

Die Swiss könnte Interkontinentalflüge verlieren, wenn es wieder himmelwärts (besser als „aufwärts“) geht. Die Lufthansa könnte diese an sich ziehen, munkelt man im Busch.

Der Fussballklub Rapid Wien bietet Fan-Mundschutzmasken an.

Sie sollten sie für nach der Pandemie behalten und den grölenden Fussballpöbel umbinden.

Es sind jetzt 5000 Soldaten im Corona-Einsatz.

Von der EU wird jetzt das gefordert, für das sie – ungerechterweise – jeweils verschrien ist: mehr zentrale Handlungsmöglichkeiten in Brüssel. Soll sie mehr zentral handeln und anordnen können, oder weniger? Die EU-Kritiker sollten sich entscheiden. Dass wir in Bundesbern mehr Beamte haben, als die EU in Brüssel, sei nur am Rande bemerkt.

Tag 24. Montag, den 6.4.

Heute werden wir – in den Augen der uns beaufsichtigenden Generation – sündigen und unseren Freiheitsgrad austesten. Ein befreundetes Ehepaar hat uns zum Apéro in seinen Garten eingeladen, das Haus liegt an einer unserer Velorouten. Mit Tischen in Distanz und dem nötigen Abstand. (Hier zeigt sich die Idiotie des Termins „Social Distancing“. Es geht genau um das Gegenteil, wenn auch mit genügendem physischen Abstand.) Wir haben die Einladung angenommen, kommt sie doch von einem Hausarzt, der zwar auch die Alterskrankheit Ü65 hat, aber noch teilpraktiziert (in guten Zeiten). Da haben wir uns gedacht: „Zu Risiken und Nebenwirkungen befragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ Werden wir machen.

Die Schweizerinnen und Schweizer waren über das schöne Wochenende grossmehrheitlich brav, blieben zuhause oder in der Nähe und hielten Abstand.

Harte Zeiten für Junge Liebe am Kreuzlinger/Konstanzer Grenzzaun

Aber ich frage mich schon, was der Motortourismus zu den Wandermöglichkeiten in der Ferne soll: Der Flüela musste wegen viel Verkehr gesperrt werden. Und die Zeitung berichtet von einem Aargauer, der im Toggenburg die Wanderschuhe anzog. Das hätte er näher haben können.

Das lässt mich auch weiter pessimistisch bleiben was die Rückbesinnung der Bevölkerung auf umweltvernünftigeres Verhalten nach der CV-Geschichte betrifft. Die Frage ist eher, wie lange es geht, bis es ist, wie es war.

Die Multis haben beim Bundesrat angeklopft wegen der Krise. Was sie mit Parmelin besprochen haben, wird nicht mitgeteilt. Aber sie werden wohl auch einen Teil des obrigkeitlichen Geldsegens beanspruchen. Sicher mit dem Hinweis darauf, dass dann bitte vor allem auch die Konzernverantwortungs-Initiative aus „wirtschaftlichen“ Überlegungen zu bodigen oder wenigstens schonend umzusetzen sei. Also wie oben: Interventionen nur dann, wenn es – finanziell – nützt, sonst sind die Profite zu schützen.

Das Fischen am Fluss-, Weiher- und Seeufer ist erlaubt, die Distanz zu anderen ist ja gross. Das nützt mir aber nur, wenn wir bis Juli eingeschlossen bleiben, denn der Mooswangen, ein Privatweiher, an dem ich Fischen darf, ist erst dann offen. Und wenn es so wäre, hätten wir dann wohl auch da einen gewissen Andrang.

Schwedens Regierung wird gelobt für seine Massnahmen-Zurückhaltung (NZZ) und steht gleichzeitig unter innenpolitischem Druck nach stärkerem Vorgehen (Thurgauer Zeitung). Ein weiteres Mal wissen wir nicht, was gut, was richtig ist.

Die Spitäler sind leer, oder fast. Rund 50% der Belegung fehlt. Das macht im Thurgau ein Minus von einer Mio in der Kasse. Pro Tag. Der Neubau in Frauenfeld ist nur halb voll, das wieder aktivierte alte Bettenhaus voll leer, wie es modern heisst. (Diese Dinge sind bei der mit Sicherheit anlaufenden „Neubeurteilung der Spitalbettenplanung“ zu berücksichtigen.)

In den USA geht es weiter rund. Ein Ziel von DT ist, makaber zwar, aber immerhin erreicht:

In England hat die Queen zum Volk gesprochen und es zur Disziplin aufgerufen. Bei uns macht das Bundesrat Berset.

Und Boris Johnson musste ins Spital, das Fieber geht nicht weg. Menschlich wünsche ich ihm alles Gut, politisch könnte ich auf ihn verzichten. Aber eben nicht so. (Das habe ich um 14 Uhr geschrieben. Am Abend im 10vor10 kommt die Meldung, Johnson liege auf der Intensivstation. So schnell geht es in diesen Tagen.)

Der Rückgang der Personenfliegerei beeinträchtigt auch die Luftfracht, wird doch in den Bäuchen der Linienflugzeuge viel Fracht spediert. Jetzt werden die Flieger oben umgebaut. Die Sitze kommen raus, es werden Befestigungen montiert, damit die Fracht dann beim Fliegen nur vorwärts und nicht rumfliegt.

Österreich will nach Ostern die Beschränkungen schrittweise abbauen. Zuerst einige und dann ab 1.5. sollen alle Läden offen sein. Beizen bleiben allerdings länger zu. Und die Verhaltensmassnahmen bleiben in Kraft. (Zuhause bleiben wenn möglich, Distanz, Mundschutz beim Einkaufen etc.) An die frische Luft dürfen die Menschen aber weiterhin.

Der Bund hat jetzt ausgearbeitet, wie die Kultur an die versprochenen 280 Mio Franken kommen soll. Ich habe den Mechanismus nicht ganz begriffen im Radio, vielleicht bin ich morgen nach der Zeitungslektüre schlauer.

Amnesty International und die Stiftung für Konsumentenschutz warnen vor ungebremster Überwachung unter dem CV-Vorwand.

Elo wird durch einen Artikel in der FAZ bestätigt, dass wir zu sehr geschützt werden, ohne dass wir es so wollen: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/coronavirus-gutgemeinte-bevormundung-von-senioren-16709597.html?GEPC=s5.

Der Frühling kommt jetzt stark. Wir sitzen im Garten unter dem neuen Sonnenschirm. Die von mir rund um den Weiher jeweils zu Bonsai zurechtgestutzten Bäume (Buchen, Birken, Eichen, Linden) haben noch kein Laub und zeigen ihre kräftigen Stämme schön.

In einer eher langfädigen und mordio schweren (über 2 Kilo) Geschichte der Völkerwanderung lese ich eben den Abschnitt über die Justinianische Pest, die ab ca. 540 zunächst Ostrom und dann ganz Europa mit grosser Wucht überzog bis sie 750 dann plötzlich wieder verschwand. Schräge Lektüre jetzt. Zusammen mit weiteren Katastrophen wie einer kleinen Eiszeit, ausgelöst durch riesige Vulkanausbrüche und abnehmende Sonnentätigkeit, in der die Durchschnittstemperatur während einigen Jahren um über 5° sank, führte diese Pest dazu, dass der Mittelmeerraum in gut 100 Jahren die Hälfte der Bevölkerung verlor.

Velotürli (mit Abstecher zu Ali): Büfelden – Anwil – Littenheid – Wilen – Kanti Wil – Gloten – St. Margarethen – Münchwilen – via Murg heim. 21,5km, Vø 16,9, Vmax 41,2. Schön, wenig Wind, weniger Leute.

Dora erzählt, dass eine ehemalige Freundin ihres Sohns Marc, die Spezialärztin in Brasilien ist, aus den USA ein Angebot erhalten hat, das sie schockiert. Für 3 Wochen Einsatz 50‘000$! So plündern reiche Länder die armen aus. Sie macht es nicht.

In Italien sind schon 16'000 Menschen im Zusammenhang mit Covid19 gestorben. Schrecklich.

Die Behauptung, wir müssten geschützt werden, ist etwas heuchlerisch. Auf den Punkt gebracht: Nicht wir werden geschützt, sondern vor uns wird geschützt! Das ist der Sinn jeder Quarantäne, und so erleben wir sie eben auch. Und daran müssen wir uns gewöhnen, auch wenn es nicht immer ganz einfach ist.

Judith, die schwangere Nachbarin, schreibt über die Strasse (Abstand halten!), dass sie jetzt ja auch im Risiko stehe. Hier muss wirklich sie geschützt werden. Leider auch vor Menschen wie uns.

Tag 25. Dienstag, den 7.4.

Heute habe ich meinen April-Termin. Den einzigen. Ich gehe zum Zahnarzt, der mir den bröckligen Zahn stabilisiert. Tutto bene.

Am Mittag machen wir unsere Gymnastik, 30‘.

Velotürli: Bichelsee – bis Höfli – via Oberwangen heim. 22,5km, Vø 15,6, Vmax 40,5. Saumässige Bise, auch abwärts müssen wir treten.
(Wie einmal von Gallipoli nach Santa Maria de Leuca: 60km im Wind. Das vergisst man nicht.)

Gestern hatte die grosse Autowaschanlage von Greco wieder Vollbetrieb. Jetzt ist sie wieder zu. Gut so. Bei dem haben wir uns schon früher gefragt, mit was für Geld er den grossen Garagen- und Waschanlagenneubau finanziert hat. Er hat aber auch die Tesla-Vertretung der Region. Vielleicht einfach ein guter Geschäftsmann, und das sei ihm unbenommen.

Die Diskussion über den „Exit“ aus den Massnahmen nimmt weiter Fahrt auf. Im Gleichschritt mit den Wirtschaftsverbänden fordern FDP und SVP möglichst bald einen Fahrplan zur Rücknahme der Massnahmen. Die Medien machen Druck, mit Kommentaren, Umfragen (SRG) usw. De Bund braucht Rückgrat, um nicht vorschnell Erwartungen zu wecken, die dann vielleicht nicht eingehalten werden können. Während im Tessin der Höhepunkt überschritten ist, dürfte das für die Deutschschweiz, aus der der Druck am meisten kommt, noch nicht der Fall gewesen sein.

Die beste Figur macht die CVP, deren Präsident sagt, die Rücknahme müsste so schnell wie möglich, aber auch so langsam wie nötig erfolgen.

Wir wünschen uns ja auch eine Lockerung der Restriktionen, aber nicht ohne eine gewisse Sicherheit, soweit das auf der Basis des ungesicherten Wissens möglich ist. Und da soll jetzt halt die Regierung und nicht die Parteipolitik unter Anführung ihrer Gockel und Hennen sagen, wo es lang geht.

Auch die Debatte über die Wirksamkeit der Gesichtsmasken geht fröhlich weiter. Eine Journalistin der NZZ wertet Studien der letzten 10 Jahre aus und kommt zum Schluss: „Ein halbwegs faires Fazit aus der Forschungsliteratur mag etwa wie folgt aussehen. Erstens: Das Maskentragen für exponiertes Gesundheitspersonal dürfte etwas bringen. Und zweitens: Es ist unklar, was das Maskentragen im breiten Publikum brächte, aber es könnte vielleicht bei genügender Verfügbarkeit und korrekter Verwendung einen positiven Beitrag leisten.“ Um es mit Faust zu sagen: Da steh ich nun, ich armer Tor. Und bin so klug als wie zuvor.

Falls das geneigte Publikum doch zur Eigenproduktion übergehen will, hier die Anleitung:

Die Arbeitslosenquote stieg von 2,5 auf 2,9%. Das mag nicht so dramatisch klingen, aber es sind 30‘000 Arbeitslose mehr. Firmen nehmen Corona-Kredite auf und entlassen doch Personal. Hoffentlich kommen die Behörden ihnen auf die Schliche. Betroffen von der Arbeitslosigkeit sind vorab auch Jugendliche und Grenzgänger. Letztere können und wollen nicht ausreisen, damit sie nach der CV-Krise wieder arbeiten können. Die Gewerkschaften fordern einen Corona-Kündigungsschutz. Die Arbeitgeber sind - wenig verwunderlich – dagegen. 30% der Arbeitskräfte der Schweiz sind in Kurzarbeit!

Japan hat jetzt auch den Notstand ausgerufen, allerdings ist das eher ein sogenannter Notstand, denn es sind vorab keine Vorschriften eher Empfehlungen. Beizen usw. bleiben weitgehend offen.

Was man in diesem Zusammenhang so alles erfährt: Japan ist das am höchsten verschuldete Land der Welt.

Die Kantone und Gemeinden kontrollieren vor allem am Wochenende die Einhaltung der Abstands- und Versammlungsvorschriften. Mit der Polizei. Also sind es jetzt statt Anstandspolizisten Abstandspolizisten. Abstandswauwaus.

Nachbars Birnbaum, den ich von meinem Arbeitsfenster aus sehe, beginnt zu blühen.

Elo hat mir zwei Artikel weiter geleitet. Zunächst zur Behandlung der Erkrankten in den Intensivstationen aus der FAZ. Ein Pneumologe meint, es werde zuviel intubiert, die behandelnden Ärzte hätten auf diesem Gebiet oft wenig Erfahrung: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/beatmung-beim-coronavirus-lungenfacharzt-im-gespraech-16714565.html?GEPC=s5.

Und dann aus dem Tagblatt ein Appenzeller Hausarzt, der sich gegen die Verschärfung der Regeln ausspricht und darauf hinweist, dass eine – u.a. durch regelmässige körperliche Betätigung an der frischen Luft erworbene – gute Konstitution bei Ansteckung von Bedeutung ist. Dr. Knöpfli zitiert eine Studie aus England über die Sterblichkeit alter Menschen: „Forscher untersuchten, wie schnell der Sensemann unterwegs ist. 1700 Männer im Alter von 70 und mehr nahmen an der Studie teil. Das Resultat der Mortalitätsstatistik: Wer schneller als 3,2 Kilometer pro Stunde gehen konnte, hatte vom Schnitter weniger zu befürchten.“
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/appenzellerland/walzenhauser-hausarzt-lehnt-schaerfere-coronaregeln-ab-ausgangssperren-waeren-fuer-aeltere-menschen-toedlich-ld.1210830?mktcid=smsh&mktcval=E-mail

Am Bodensee gelten für die Freizeitschifffahrt unterschiedliche Regelungen. Deutschland und Österreich haben die Häfen geschlossen, in der Schweiz sind sie noch offen. Die Grenze läuft im Untersee in der Mitte. Die Freizeitkapitäne dürfen sie überfahren, aber auf der Höri oder der Reichenau nicht anlegen. Also kein Ausweichen für Liebespärchen vom Kreuzlinger Grenzzaun an den See.

Die Lufthansa verkleinert die Flotte, da sie damit rechnet, dass die Luftfahrt erst in Jahren wieder auf dem Stand von Februar ist. Betroffen sind u.a. die Germanwings, die wohl eingeht, aber auch die Swiss.

Die EU debattiert über die Hilfe an Italien usw. Deutschland, Österreich, Holland, Dänemark und Finnland sind gegen Eurobonds, dafür ist der Rest, auch Frankreich. Wobei in Deutschland der Druck auf die Regierung, diese doch zu ermöglichen, gross ist, da vielen das Zeichen für Südeuropäer wichtiger ist, als das Lehrbuch der Volkswirtschaft. Die Deutschen sind eben Europäer. Was mich in unserer Berichterstattung über diese sicher sehr schwierigen Diskussionen immer ärgert, ist die unterschwellige, selbstgerechte Häme, die EU bringe die Sache nicht zurande. Wie wenn wir, falls das der Fall wäre, nicht enorm an den negativen Folgen leiden würden.

Johnson geht es wohl immer noch nicht gut, auch wenn er nicht beatmet werden soll. Beim Einmarsch der englische Regierung in Downing Street 10, wo ein unerfahrener Aussenminister jetzt die Regierung führen soll (Johnson wollte wohl keinen Rivalen in dieser Position, was sich jetzt rächt), bei diesem Einmarsch sehe ich eine Neuerung: Den Corona-Gänsemarsch. Abstand von Person zu Person 2 Meter.

Der Mond ist voll und erdnah wie erst in 5 Jahren wieder. Er füllt mir den Feldstecher fast aus.Elo blendet er so, dass sie die Sonnenbrlille braucht.

Tag 26. Mittwoch, den 8.4.

In der WOZ von vergangener Woche, die ich gestern Abend noch gelesen habe, zeichnet Susan Boos, eine gut informierte Gesundheits-Journalistin ein mögliches Ausstiegs-Szenario. Teil davon ist, dass die Kasernierung von uns mit der Diagnose Ü65 geschlagenen noch einige Monate dauern könnte. Was immer das heisst „einige Monate“, so ist doch die Vorstellung keine gute.

Wenn in der Thurgauer Zeitung der „Wanderer der Nation“ Nick Hartmann („SF bi de Lüt“) Spaziergänger und Velofahrer pauschal als „Corona-Ignoranten“ bezeichnet, verheisst das auch wenig Gutes. Dass er im Herbst zum Verlagshaus CH Media wechselt, das die TZ herausgibt, stärkt unser Vertrauen in die Zeitung nicht.

Am Gotthard werden die Autofahrer mit Deutschschweizer Nummern kontrolliert. Verständlich.

In Genf wird der öffentliche Raum mit Drohnen überwacht. Gefährlich. Wird das je wieder abgeschafft?

Der St.Galler Regierungsrat Kölliker prescht in der Schulfrage vor. Er schreibt in einem Elternbrief, dass ab Mai die Schüler „in kleinen Gruppen“ wieder zur Schule gehen dürften. Abgesehen davon, dass eine schweizweite Abstimmung unter den Kantonsregierungen wünschenswert wäre und ja an sich der Bund sagen wird, ob das geht oder nicht, zeigt die Reaktion der St.Galler Schulleiter, dass hier offensichtlich wenig Diskussion mit dem betroffenen Personal stattgefunden hat. Hat Herr Kölliker Nebengedanken. Will er sich ins Spiel bringen? Wofür?

Der Hauptsturm auf die Spitäler soll noch bevorstehen. Das könnte zumindest für die Deutschschweiz stimmen. Im Tessin dürfte er vorbei sein, im Welschland eher gerade erreicht.

Die Sorgen der Spitäler sind eklatant. Das Verbot von Wahleingriffen, die verschoben werden können, bringt massive Ausfälle: Normalerweise setzen die Schweizer Spitäler 600 Mio Franken um. Pro Woche. Wenn jetzt 50% Belegung fehlt: rechne!

Die Regierung der USA zeigt in dieser Zeit ihre strukturellen Schwächen. Die Linke weiss nicht, was die Rechte tut, und schon gar niemand weiss, was der Chef tut. Ein Rat an ihn: Führen statt plaudern. Aber dazu müsste er sich Zeit nehmen, und die hat er nicht, sind doch seine Finger und damit seine Hirnkapazität ständig mit der Tastatur beschäftigt.

Auch der gerühmte medizinische Berater des Weissen Hauses, Fauci, muss sich rechtfertigen dafür, dass er noch am 21. Januar gesagt hat, Covid19 sei für die USA keine grosse Bedrohung. Aber da dürfen wir Schweizer keine Schadenfreude zeigen, denn auch bei uns kamen aus Bern bis Ende Februar beruhigende Aussagen.

Archaische Religionspraktiken führten/führen weltweit zu Ansteckungsherden. In Israel sind es die gemeinsamen Gebete der Orthodoxen, deren Wohngebiete in Jerusalem wahre Seuchenherde sind. Im Iran sind es die Pilgermassen an den heiligen Stätten wie Qum, die bei bekanntem Einfall des Virus in Januar noch offen gehalten wurden. In Osteuropa sind es die Orthodoxen, wo alle Gläubigen die Kommunion mit dem selben Löffel erhalten. Und die erwähnten Massengottesdienste der Evangelikalen in Brasilien. Es scheint jetzt an diesen Orten etwas gebessert zu haben: Einsicht durch Draufsicht, der Staat macht Druck. Ausser in Brasilien, wo Bolsonaro nicht virenresistent ist (ich wünsche ihm nichts Böses), aber sicher einsichtsresistent. Er bezeichnet Covid19 als kleine Grippe oder leichten Schnupfen.

Bundespräsidentin Sommaruga hat Klartext gesprochen, als sie gefragt wurde, ob vielleicht ein stufenweiser Ausstieg zuerst in der Deutschschweiz beginnen könnte, wo es weniger Fälle geben. KNIF, Kommt nicht in Frage, der Ausstieg habe schweizweit zu geschehen.

Die SVP stellt ihre Forderungen, sie will ja, das sei ihr nicht unbenommen, die Deutungshoheit in der Politik nicht aus der Hand geben. Zunächst eine, die ich – und das ist bei SVP-Forderungen selten genug – durchaus richtig finde: Wer Corona-Kredite bezieht oder Löhne über die Kurzarbeiterregelung durch die Öffentlichkeit finanzieren lässt, dem soll verboten werden: Dividendenausschüttung, Kapitalrückzahlung, Aktienrückkauf. Damit soll verhindert werden, dass die Eigentümer mit Bundesmitteln Profite machen.

Dann aber wird mein Bild von der SVP-Führung wieder zurechtgerückt. Das Ziel sei für 2021 ein ausgeglichener Bundesaushalt. Dazu seien Entwicklungshilfe und (notabene vertraglich fixierte) Kohäsionszahlungen an die EU sofort einzustellen. Jetzt, wo in diesen Ländern die Mittel dringend benötigt werden, denke ich. Weiter: Umzuschichten für die Krisenbewältigung seien mehrjährige Verpflichtungskredite, so zur Kulturbotschaft oder zur Botschaft zu Förderung von Bildung, Forschung und Innovation. Also Geld für Bereiche, die für die SVP-Führung zweitrangig sind, denke ich. Das alte Mantra: Wir müssen sparen. Auf Kosten der anderen, auf Kosten der lebenswerten Gesellschaft (zu der auch Solidarität gehört), auf Kosten der Zukunft.

Die SBB verlängert Abonnemente. So z.B. das GA für 15 Tage, wenn man ein neues löst. Nette Geste, die viel kostet, aber wenig bringt. Denn es sind Jahresabos, die jetzt für Monate nicht genutzt werden können. (Wir haben nur ½-Tax.) Das hätte sich die SBB besser gespart, es wirkt irgendwie schäbig. Und das ist irgendwie schlimmer als gar nichts.

Die Erdölbranche rechnet damit, dass der Rohölverbrauch bis Ende Jahr auf die Hälfte zusammenfallen könnte. Weniger Autofahrten, weniger Flüge, weniger Produktion. Das dadurch entstehende Chaos zeichnet sich bereits jetzt ab.

Die WHO warnt vor zu schnellem Ausstieg wegen der Gefahr von (gesamtgesellschaftlichen) Rückfällen.

Die Touristengegenden müssen ihre Attraktionen schliessen oder beschränken. Der Munot in Schaffhausen ist zu, es wurde dort fröhlich gepicknickt. Das Appenzellerland begrenzt die Parkplätze in Brülisau, Wasserauen, Jakobsbad.

Der Fleischkonsum ist eingebrochen. Die Beizen und Veranstaltungen fehlen, wo normal 50% konsumiert wird. Die Tiere werden zu schwer (Kälber), und eingefrorenes Fleisch bringt den Züchtern weniger. Kleinmetzgereien in der Stadt profitieren davon, dass mehr zuhause gekocht wird.

Es gibt ja jetzt keinen Einkaufstourismus nach Deutschland mehr. Das sollte sich im inländischen Fleischkonsum wiederspiegeln.

Die europäischen Finanzminister ringen immer noch um die finanzielle Hilfe für Länder in der Not. Holland soll am Schluss der 16-stündigen Videokonferenz (wie muss ich mir das vorstellen?) die Sache noch mit einem Veto geblockt haben. Morgen geht es weiter.

Im Radio macht mir der Kölner Wirtschaftsprofessor Dominik Enste etwas klarer, worum es geht. In der Finanzkrise vor gut 10 Jahren hätten die Eurobonds dazu dienen sollen, dass Länder mit restriktiver Finanzpolitik (und vermutlich besseren Voraussetzungen) Ländern hätten helfen sollen, stark überschuldete Haushalte zu sanieren, Bestandesschulden, wie Enste das nennt, zu übernehmen. Da sei er dagegen gewesen. Jetzt ginge es um etwas ganz anderes: Die Lösung einer gemeinsamen einmaligen Aufgabe, nämlich Staaten zu helfen, eine unverschuldete Krise zu überwinden. Das zwar auch eine Frage geforderter Solidarität, diene aber auch der möglichst schnellen Überwindung der Wirtschaftskrise, in der der gesamte europäische Raum steht. Die Wirtschaft, und dabei auch der Mittelstand, könne nur gemeinsam hochgefahren werden, so sehr sei der Wirtschaftsraum vernetzt. Das gilt wohl auch für die Schweiz.

Es zeichnet sich am Horizont für 2020 ein Einbruch der europäischen Wirtschaft von 10% ab.

Was bedeutet das eigentlich: -10% Wirtschaftsleistung? Wie sieht das für uns, für andere aus?

Wie weit werden die CV-Erfahrung und die starke Konzentration auf den Aufbau der Wirtschaft die Umweltbemühungen ausbremsen. Wieviel Ausreden werden wir hier hören?

Wenn vom Herauffahren der Wirtschaft gesprochen wird, geht mir immer der Begriff des „Wiederaufbaus“ im Kopf rum, der für die Deutsche Nachkriegszeit bestimmend war. Wird es da Analogien geben? Auch in den Köpfen der Menschen, in den Herzen?

Velotürli: Bichelsee (ohne Höfli) – Oberwangen – Grueb – Anwil – Büfelden – Hofen – via Tennisplatz heim. 19,2 km, Vø 16,6, Vmax 37,2, 1h9‘. Wunderschönes Wetter, warm, wenig Westwind.

Der Frühling drückt mit Macht. Hoffentlich nicht zu früh (Frost). Die Bachhecken sind zwischen Strasse und Murg oft eine geschlossene weisse Wand. Alles Dornen, alles Blüte, alles Pracht. Das Gras beginnt zu spriessen, der Löwenzahn streckt überall die ersten gelben Köpfe heraus. Überall grünt es, manchmal noch zaghaft, manchmal schon ganz schön frech. In der Grueb (Stammsitz meiner Familie!) schaut eine hohe wilde Kirsche zwischen den dunklen mächtigen Tannen aus dem Waldrand heraus, während am Murgufer die ersten Birnbäume im Blust sind. Sie blühen ja, bevor sie die Blätter draussen haben. Gegen Anwil sind sie auf dem Feld (so heisst die Wiese, die mal die Hauswiese meines Grossvaters war,) noch nicht ganz so weit, aber in ein zwei Tagen sind dann die grossen birnenförmigen Bäume wie riesige weisse Kerzen im Sonnenlicht, unten ist es grün und gelb und oben stahlblau im Frühlingssonnenschein. Die Äpfel kommen später; sie bringen erst die Blätter. Aber bei einer frühen Sorte habe ich schon rosa Blütenansätze gesehen.

Wir richten uns geistig darauf ein, dass wir noch einige Monate, also mindestens bis Juni, in unserer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind. Aber solange sie uns Velofahren und Spazieren lassen, geht das.

In Itaslen wird die alte Landstrasse, der von uns ob der neuen Hauptstrasse genutzte Veloweg, neu gemacht. Bis August habe ich gelesen, und ich hatte Angst, dass wir ihn jetzt, wo er eine ideale Route ist, um den vielen Spaziergängern anderwärts auszuweichen, den Sommer über nicht benutzen können. Aber die Baufirma Toldo macht das gut. Sie hat das „Allgemeines Fahrverbot“ mit einem Zettel „Ausgenommen Velofahrer“ versehen. Toldo macht sich offensichtlich. Die Firma war berüchtigt für Baustellen, die nie fertig wurden. Als sie einmal bei uns im Quartier für 100 Meter fast ein halbes Jahr brauchten, fragte ich an der Gemeindeversammlung den Gemeindeammann (sorry, Kurt: den Gemeindepräsidenten, heisst es jetzt), ob Toldo als Tiefbaufirma engagiert worden sei oder als Massnahme zur Verkehrsberuhigung.

Eben war Cousine Ulla zum Apéro da. Auf dem Sitzplatz, im Corona-Modus, mit gehörigem Abstand, eigenen Tischchen, separaten Plättchen und gehörigem Händewaschen dazwischen. Dabei habe ich den ersten Frosch des Jahres im Weiher gehört. Hoffentlich bleibt er, oft ziehen sie wieder ab.

Ulla erzählt auch dass ihr ehemaliger Schwager Godi und seine Frau Sonja in Dussnang das CV gehabt hätten. Godi sei im Spital wegen eines Stents gewesen. Ob er sich da infiziert hat, ist unklar. Klar ist, dass sie die Seuche hatten und von ihrem Sohn Silvan gepflegt wurden. Es ging gut. Aber da kommt uns die Sache dann plötzlich näher.

Heute gibt der Bundesrat bekannt, dass die Massnahmen am 19.4. noch weitergeführt werden. Ab 26.4. soll es schrittweise Lockerungen geben. Informationen darüber erhalten wir nach Ostern am 16.4.

Jetzt wird ernsthaft darüber verhandelt, ob Fluglinien Geld bekommen sollen. Auflagen wären aber, dass keine Dividenden ausbezahlt werden, bevor das Geld zurückerstattet ist, und dass das Geld in der Schweiz bleibt und nicht an die ausländischen Mutterkonzerne geht. Wie soll das gehen? Die Mütter würden ja eh entlastet. Erhalten wir sonst nichts für das Geld?

Das Tessin lockert die Massnahmen für an Ü65 Erkrankte: Jetzt dürfen sie wieder einkaufen gehen, aber nur zwischen 8 und 10h.

Tag 27. Gründonnerstag, 9.4.

Die Felsenbirne vor dem Schlafzimmerfenster ist heute Morgen in voller Blüte. Leider dauert diese jeweils nur kurz, aber dafür ist sie dann umso schöner.

Crédit Suisse und UBS lenken in der Dividendenpolitik ein. Oder tun das, was sie unter einlenken verstehen. Sie verzichten zwar nicht auf die Dividende, richten aber jetzt nur die Hälfte aus, die andere Hälfte vermutlich, so sagen sie, im Herbst.

Italien und Spanien scheinen den Höhepunkt der Krise überwunden zu haben, sehen Licht. Gesundheitlich. Wirtschaftlich beginnen die Aufräumarbeiten erst jetzt langsam.

Die Sprache macht auch hier mit. In der Zeitung wird jetzt Ü65 als Benennung unserer Generation ohne Anführungsstriche und Erklärungen verwendet. Wir wissen ja, was gemeint ist. Und werden uns daran gewöhnen.

Die Stadtregierung von Kreuzlingen hat der Justizministerin geschrieben und um eine etwas flexiblere Abschottungspolitik gebeten. Kreuzlingen und Konstanz seien so organisch zusammengewachsen, dass es zu vielen unschönen Situationen komme. So, wenn der in Kreuzlingen wohnende Sohn (Doppelbürger) die demente Mutter nicht mehr betreuen kann, ohne an der Grenze von Schweizer Seite massive Bussandrohungen bei einer Wiederholung zu erhalten („der Pass wird registriert“). Die Haltung der Behörden ist verständlich, hat Kreuzlingen doch einen Ausländeranteil von über 50%, vorab Deutsche, die in Konstanz arbeiten.

In der Presse wird jetzt viel über die sogenannte Durchseuchung der Bevölkerung gesprochen. Vor allem die Jüngeren sollten sich anstecken lassen, damit ein „Durchseuchungsgrad“ – fürchterliches Wort! – von rund 70% zur Erreichung der notwendigen Herdenimmunität – ebenso hässlich, das Wort – resultiert, also 70 Prozent der Population die Krankheit in irgendeiner Form gehabt hat. Dadurch wird die Gefahr eines grossen Rückfalls gering. Wie das gehen soll und was es für Folgen hat, ist mir noch nicht so klar. Wichtig dafür scheint auch, die Schulen wieder zu öffnen. Die Kinder erleben die Ansteckung in der Regel nicht bewusst, aber sie wären dann für die Zukunft geimpft, ihr Immunsystem wäre gestärkt.

Der Grosse Rat des Kantons Thurgau will im Mai wieder tagen. Das ist gut so. Was mit den Ü65-Migliedern geschieht, ist nicht klar, aber die Fraktionen gehen davon aus, dass die meisten von ihnen an der jeweils eintägigen Sitzung teilnehmen.

Ostern wird mit leeren Kirchen vonstatten gehen. Die Kirchgemeinden sind innovativ. Sie präsentieren sich im Internet, auf Youtube usw. Wängi macht ein Lichtfest aus Ostern. Es werden im ganzen Dorf 10 Osterfeuer angezündet (die Feuerwehr ist informiert), und die Kirche wird wie eine Osterkerze angeleuchtet.

In einem NZZ-Interview bezeichnet der amerikanische Kulturphilosoph und Romanist Robert Harrison das Erzählen als starke Immunreaktion des Menschen. Er bezieht sich dabei – sehr komplex aber erkenntnisreich – insbesondere auf das Decamerone von Boccaccio, das klassische Quarantäne-Buch, in dem sich sieben Frauen und drei Männer aus Florenz während der Schwarzen Pest von 1348 auf ein Landgut zurückziehen und sich dort die Zeit mit dem Erzählen von Geschichten vertreiben. So verarbeiteten sie die schwere Zeit, in der die Hälfte der Europäischen Bevölkerung starb. Hundert Geschichten sind es in Boccaccios Buch, teils sehr drastische, der frühen Renaissance entsprechend.

Mir war von Anfang klar, dass dieses Reisetagebuch meine Verarbeitung der CV-Zeit ist. Jetzt erhalte ich meinen Schreibdrang auch noch wissenschaftlich untermauert, wissenschaftlich quasi geadelt.

Der oberste Seuchenbekämpfer im Bund, Daniel Koch, gibt ein langes Interview im Tagesgespräch von Radio DRS. Er macht erneut einen sehr guten Eindruck. Er hat eine klare Linie, von der er sich nicht abbringen lässt. Er geht auf keinen einzelnen Hype ein, lässt sich nicht an ungewissen Grenzwerten festmachen. Es ist die Entwicklung der Epidemie, die den Takt angibt. Einzelne Tools können zwar gut sein, aber nicht Matchentscheidend. Unser Verhalten ist es. Da hat der Bundesrat einen guten Berater. Einen sehr guten. Und dass er auf diesen hört, zeigt seine aktuelle Führungsqualität.

Gut tut der Meinungsbildung im Bundesrat vielleicht, dass mit Ignazio Cassis ein Mann im Gremium sitzt, der von der Sache eine gute Ahnung hat. Der heutige Aussenminister war ja schliesslich Kantonsarzt des Tessins und weiss viel von Epidemiologie. Dass er sich nicht vorspielt, heisst nicht, dass er nicht Einfluss nimmt.

Koch erklärt auch, warum er von einem Abflachen der Ansteckungskurve spricht, trotz der steigenden Infizierten-Zahlen. Es werde mehr getest. Die Dunkelziffer sinkt.

Die ausgesetzten Betreibungen werden ab 19.4. wieder laufen. Allerdings prüft der Bundesrat die Möglichkeit von Schuldstundungen und/oder Konkursaufschiebungen.

Der Bauernverband geht davon aus, dass es genügend Erntehelfer gibt: Anmeldungen aus dem Ausland, ergänzt durch Freiwillige aus dem Inland.

Die zurzeit relativ positive Entwicklung in der Schweiz ist auf das Einhalten der empfohlenen Massnahmen zurückzuführen. Die Schulschliessungen scheinen weniger gebracht zu haben. Aber die Summe macht es wohl aus.

Velotürli: Büfelden – Anwil – Littenheid – Wilen – Wil Kanti – Gloten – St.Margarethen – heim mit Metzg (Abholung, der Metzger hat Überlast) – Fischfrau (Riesenschlange). 22kkm, Vø 17,1, Vmax 42,5. Schön, wenig Wind.

Bei Dreibrunnen hat es viele Birnbäume. Eine weisse Wand. Wir kommen von Süden. Von Norden wäre es weniger spektakulär, da die Birnen die Blütenpracht nach Norden, der lichtabgewandten Seite, noch nicht so entfaltet haben.

Die Stadt Wil übernimmt für Mitte März bis Ende April die Kosten für die halbleeren Kitas oder nicht genutzte Heimpflegen.

Lehrabschlusszeugnisse sollen alle erhalten, auch ohne schriftliche Prüfungen, die abgesagt sind. Die praktischen Prüfungen werden gemacht, wenn es geht, wenn nicht, müssen die Lehrlinge von ihren Ausbildungsbetrieben als genügend gut betrachtet werden.

In den USA sind in einer Woche 6,6 Mio Menschen arbeitslos geworden. Zur Zeit sind 10% der amerikanischen Werktätigen arbeitslos. Auch USA: Dort ist der Anteil der Schwarzen unter den Angesteckten 8mal höher als unter den Weissen. Unter letzteren gibt es sicher noch solche, die meinen, sie seien genetisch robuster. Dabei ist es nichts als ein weiteres Indiz, dass Einkommensklasse und gesundheitliches Risiko negativ korrelieren.

Das Parlament wird an der nächsten Session die Entwicklungshilfe diskutieren. Die Bürgerlichen sind der Ansicht, dass das vom Bund vor der CV-Krise erarbeitete Paket gekürzt werden müssen. Die einen sagen, die anvisierten 0,5% des BIP seien in einer Rezession weniger als in gut laufender Konjunktur. Brutal offen ist der SVP-Finanz“experte“, der meint, jetzt gelte „zuerst für uns“. Wie wenn die Hilfe für die Länder in Not nicht gerade in der Not wichtig wäre. Längerfristig auch für uns.

Die CVP meint, eine Einhaltung der 0,5% sei wichtig. Und dann müssten die Programme umgewidmet und vor allem die Spitalinfrastruktur dieser Länder verbessert werden. Wenn möglich mit Spitalbetten aus der Schweiz, damit das Geld dann bald wieder hier ist? Das hatten wir doch schon mal, oder? Und könnte man da nicht auch an zweckgebundene Finanzierung von Pharmaexporten denken? Herr Cassis hat doch kürzlich schon in ähnlicher Richtung vorgedacht.

Wo bleibt da die biblische Maxime, die wir im Konfirmandenunterricht bei Pfarren Schläpfer gelernt haben, dass bei einer Gabe die linke Hand nicht wissen solle, was die Rechte tut? Also ohne Hintergedanken zu geben sei? Österliche Fehlüberlegung?

Differenziert hat die GLP, die ja sonst eher in Richtung Wirtschaft denkt. Ihr Vertreter ist der Ansicht, es könnten in solcher Not auch mal mehr als 0,5% sein, hätten wir doch die ganze Zeit immer darunter gelegen, (trotz des offiziell formulierten politischen Ziels).

Die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU ist gut, wie lange nicht. Der EU-Botschafter in Bern erzählt, zurzeit nähmen Schweizer Minister an Videokonferenzen der 27 Mitgliedsländer teil, sitzen also quasi direkt am Verhandlungstisch. Das sei noch nie vorgekommen. CV und Internet machen es möglich.

Die Feiertagsregelung der Touristenorte ist uneinheitlich. Über Ostern sind präventiv viele Anziehungspunkte für grössere Rudelbildung geschlossen, so die Seeparkplätze in Rorschach, Arbon, Romanshorn. Kreuzlingen und Bottighofen sehen davon ab, wollen aber allenfalls einfach die Zufahrten blockieren. In Rapperswil ist der Holzsteg von Hurden zu, die Schwägalp aber bleibt offen. Jedem das seine, mir etwas mehr.

Frankreich verlängert die Ausgangssperre.

In Nordrein-Westfalen haben Internet-Betrüger sich via gefälschter Webseiten (der offiziellen ähnlich) die Daten von ca. 4000 Firmen in Not erschlichen und so Zahlungen ausgelöst, die eigentlich diesen gehörten. Daher ruht jetzt die Auszahlung. Doppelt gestraft, die armen.

Entlassen von Arbeitern ist übrigens für die Firmen billiger, als Kurzarbeit. In dieser müssen sie für die Sozialabgaben aufkommen. Das erklärt den teilweise auch bei uns recht starken Anstieg an Arbeitslosen. Ausserdem wird man „elegant“ missliebige Arbeiter los, weil praktisch kein Kündigungsschutz und keine Begründungspflicht bestehen. Gemäss WOZ ist eine Gruppe, die das tut, die Ems-Chemie, die werbewirksam auf Kurzarbeit verzichtet hat.

In der Coiffeurlosen Zeit: Heute habe ich Elo hinten am Haareinsatz geschoren. Es ist einigermassen gerade gekommen. Aber sie kann das bei mir besser, als ich bei ihr. Das gleicht sie dann mit ihrer natürlichen Schönheit aus. (Das erinnert mich an den letzten Tag der Rekrutenschule, als wir uns gegenseitig den vom Hauptmann geforderten Haarschnitt verpassten. Als sich der Leutnant das Resultat meiner Schererei am Kopf des Kameraden Brauchli ansah, fragte er mich, ob ich etwas gegen ihn, den Brauchli, hätte.)

Boris Johnson ist wieder aus der Intensivstation raus. Das mag ich ihm gönnen. Aber trotzdem: Unkraut verdirbt nicht.

Zum Schluss des Tages noch ein Witz zum europäischen Rettungsschirm, der zur Zeit der Griechenland-Krise rumging. Kommt ein Deutscher Tourist in ein griechisches Hotel und will ein Zimmer, möchte es aber erst ansehen. Dafür müsse er 100€ Depot hinterlegen, was er tut. Mit dem Depot geht der Wirt zum Metzger und bezahlt seine Schulden. Dieser kann nun seine Rechnung beim Bauern begleichen. Der Bauer wiederum trägt das Geld zu einer Liebesdienerin und entlöhnt sie für die letzten Dienste. Worauf sie nun wieder zum Wirt geht und für die Miete des Zimmers aufkommt, die sie das letzte Mal schuldig geblieben ist. Als der Gast, der inzwischen anderswo ein besseres Logis gefunden hat, kommt und das Zimmer nicht will, gibt ihm der Wirt das Depot zurück. Keiner hat was verloren und alle Schulden sind bezahlt!

Tag 28. Karfreitag, 10.4.

Heute ist für uns Evangelische[1] der höchste Feiertag des Jahres. Es ist ruhig in den Kirchen, auch wenn gestern Abend die beiden Kirchen den Feiertag um 20 Uhr eingeläutet haben. Ob die Schweizerinnen und Schweizer, ja die Menschen insgesamt etwas von den christlichen Ostergedanken in die Nach-CV-Zeit hinüberretten, wage ich zu bezweifeln.
[1] ich bin von Haus und kultureller Beeinflussung evangelisch, auch wenn ich nicht sehr religiös bin, um es vorsichtig zu sagen.

Heute gibt es keine Zeitung. Die morgendliche Lektüre entfällt, und ich werde mich auf Radio (tagsüber) und TV (abends) beschränken müssen. Und darauf, was mir sonst noch so durch den Kopf geht. Das ist oft sehr viel.

Am Gotthard gibt es das erste Mal keinen Osterstau. Es soll nur noch 10% des sonst üblichen Osterverkehrs sein. Die, die jetzt noch kommen, werden angehalten und gebeten, umzukehren.
Die, die jetzt noch kommen, werden angehalten und gebeten, umzukehren. Das tun aber nur 10% der Angesprochenen. Der Rest fährt weiter. Verbieten kann man es ihnen nicht.

Der UNO-Sicherheitsrat hat endlich einmal über die CV-Krise getagt. Statt aber den Generalsekretär zu unterstützen, der seit Tagen einen allgemeinen weltweiten Waffenstillstand fordert, nur allgemeines Wischiwaschi. Die Supermächte wollen nicht.

Soussan, eine alte Freundin aus Teheran, die mit uns in Münster im Doktorandenstudium war, schreibt: „Kann man sich im Zeitalter der Corona auch frohe Ostern wünschen? Warum nicht? Wir haben auch unser Neujahr im März virtuell und vernetzt gefeiert. Also ich wünsche, dass ein virusfreier Osterhase mit großen Löffeln Euch und Euren Lieben viele virusfreien Eier, voll Gesundheit, Lebenslust und Hoffnung, bringt...Noch eine wichtige Nachricht aus Iran. Ihr wisst, dass Alkohol in Islam als unrein gilt und es zu trinken verboten ist. Und ihr habt wahrscheinlich auch gehört, hier wurden alle heiligen Mausoleen mit Alkohol gereinigt. Aber Ihr habt vielleicht nicht erfahren, dass nach der Reinigung eine Stimme aus dem Jenseits kam‚ bitte beim nächsten Mal, die Mazeh (Beilage zum Wein, so was wie Tapas) nicht vergessen‘. Corona wird in Sozialnetz als Versöhnung von Islam und Alkohol gefeiert. Wir erzählen Witze. Was macht Ihr in Corona?“

Velotürli: Bichelsee – Oberwangen – Anwil – Hofen – via Tennisplatz heim. 19,2 km, Vø 16,4, Vmax 42,4, 1h10‘. Schön, etwas mehr Wind.

Die Strecke ist zwar die gleiche, aber sie ist jeden Tag anders.

Auf einer Kiesbank in der Murg macht eine Familie ein Feuer. Das sehen wir hier sonst nicht, nur an der Töss oder der Thur.

Xaver richtet eine Viedokonferenz ein: Falera (2x), Urnäsch, North Carolina und Sirnach. So laufen jetzt die distanzierten Kontakte ab.

Die EU-Finanzminister haben sich zu einem ersten Hilfspaket gefunden, über 500 Mia€. Über die Coronabonds wollen sie noch weiterdiskutieren auch Ebene Regierungschefs.

_____________

Die Daten:

Datum

Erkrankungen

Diff. Vortag

Diff. Vortag %

Verstorben

Zunahme

Sterberate %

Diff. Vortag

21.3.

6113

56

0,91

22.3.

7014

+901

60

4

0,86

-0,05

23.3.

8060

+986

+7,4

66

6

0,81

-0,05

24.3.

8836

+776

-21,3

86

20

0,97

+0,16

25.3.

9765

+929

+19,8

103

17

1,05

+0,08

26.3.

10714

+949

+2,2

161

58

1,50

+0,45

27.3.

12161

+1447

+52,5

197

36

1,62

+0,12

28.3.

13213

+1152

-20,4

235

38

1,92

+0,30

29.3.

14336

+1123

-2,5

257

22

1,79

-0,13

30.3.

15475

+1139

+1,4

295

38

1,91

+0,12

31.3.

16176

+701

-38,4

373

78

2,31

+0,4

1.4.

17139

+963

+37,4

378

5

2,21

-0,1

2.4.

18267

+1028

+6,7

432

54

2,36

+0,15

3.4.

19303

+1036

+5,7

484

52

2,51

+0,15

4.4.

20278

+975

-5,9

540

56

2,66

+0,15

5.4.

21100

+832

-14,7

559

19

2,66

-

6.4.

21652

+552

-33,7

584

25

2,70

+0,04

7.4.

22242

+590

+6,9

641

57

2,88

+0,18

8.4.

22789

+547

-7,3

705

64

3,10

+0,22

9.4.

23574

+785

+43,5

756

51

3,34

+0,33

10.4.

24308

+734

-6,5

805

52

3,31

-0,03

(Die Todesraten dürften, wenn die Ansteckungsrate mal runter geht, stärker steigen, sie haben quasi Nachholbedarf. Ausserdem sind die Zahlen wohl nur auf die Länge aussagekräftig, was sich daran zeigt, dass das BAG, auf das ich mich weiter stützen will, als langsam verschrien ist (vieles von Hand!), z.B. von einem Doktoranden in Bern, der selbst sammelt, von der Johns Hopkins-Universität in den USA oder auch vom Statistischen Amt des Kantons Zürich, wo die Tochter von Cousine Ulla, Silvia, als Soziologin arbeitet.)

Frage: Sind die Rückgänge der Ansteckungen an Samstagen und Sonntagen auf die langsamere Meldung durch die Kanton zu erklären?


10.4.2020/JB.