Baumbergers Reise ins Coronaland/8, Woche 7

Tag 43. Samstag, den 25.4.

Heute ist der erste Tag in unserer eBike-Zeit. Wir haben eine Probefahrt mit Demobikes des Händlers gemacht und dann noch eine kurze Strecke mit den neuen, damit wir die Lenkerhöhe etc. bestimmen konnten.

Genial. Wir machten in 2h an einem Strich 40 km, und zwar bergauf und bergab, über Kieswege und Teerstrassen: Sirnach-Vogelsang-Anwil-Littenheid-Kirchberg-Fischingen-Bichelsee-Hurnen-Sirnach. Nach Kirchberg hinauf ging es wie im Lehnstuhl, auch wenn wir noch ganz schön mittraten (freiwillig). Wir leisteten sicher so viel, wie auf einer normalen 20er-Runde, aber es war einfach schön, durch den blühenden Frühling auf Strassen zu fahren, die wir sonst nur in Ausnahmefällen geschafft hätten. Vmax war bei mir 55,5 kmh, die Dinger sind schwer und kommen ganz schön in Fahrt.

Wir haben die zwei reservierten Velos sofort fest bestellt, wir erhalten sie, wenn die Anpassungen bis dann gemacht sind, am Mittwoch. Die Lenker müssen höher gestellt werden (es braucht grössere Vorbauten), denn wir wollen nicht wie Rennfahrer herumfahren, sondern wie Genussfahrer, Kopf oben und Augen offen.

Wir freuen uns auf die kommenden Touren in der Ostschweiz und dann irgendwann auch mal anderswo.

Velotour: s.o.

Nach der Tour:


Die NZZ fährt – wieder mal, ist doch das staatlich unterstütze Medium der Intimfeind – eine Breitseite gegen Radio und Fernsehen DRS. Es sei kritik- und distanzlos gegenüber den Behörden, das Hausmedium des Bundesrats gleichsam. Da geht es um mehr, hat doch die Printpresse mit der NZZ weit vorn in der Vorhut, die No Billag-Initiative, mit der DRS der Sprit abgedreht werden sollte, massiv unterstützt.

Die Wirtschaftskommission des Ständerats fordert, dass bei der Lockerung der Massnahmen die Kantone jeweils einen eigenen Weg, ein eigenes Tempo vorgeben können. Da kommt der Bundesrat etwas in die Zwickmühle, denn bei den Schliessungsmassnahmen hat er nolens volens Sonderzüge insbesondere des Tessins toleriert.

Das vielgelobte Singapur muss die Schraube wieder zurückdrehen und die Notverordnungen verlängern.

Bundesrat Cassis wird gefragt, warum er in dieser Zeit in der Öffentlichkeit nicht sichtbarer sei. Er sei nicht Gesundheitsminister, es sei nicht sein Arbeitsgebiet. Das spricht für ihn, ist er doch Fachmann für öffentliche Gesundheit, war er doch mal Tessiner Kantonsarzt.

Die Thurgauer Kantischüler wollen keine mündliche Matur, wenn die anderen Kantone das auch nicht machen. Sie verlangen eine einheitliche Regelung durch den Bund.

In Südafrika ist der Verkauf von Alkohol verboten. Die Leute weichen auf „Ananasbier“ aus, hergestellt aus Ananas, Zucker und Hefe. Ich habe den Verdacht, dass dies ein gefährliches Gebräu ist, entstehen doch so unkontrolliert allerhand Alkohöler. Besoffen wird man davon aber sicher, und dann hat der Zweck ja denselbigen erreicht.

Der Chef von Coop, Joos Sutter, gibt in einem Interview einige interessante Informationen: Die Supermärkte haben eine markante Umsatzsteigerung. Sehr gut gehen Bio und die Prix-Garantie-Linie (billig). Online wächst zwar prozentual stark, aber da der Ausgangsanteil von vor der Krise nur 2% war (v.a. Kaffeekapseln), bringt das nicht viel. Stärker ist das Wachstum bei Elektronik (Interdiscount). Ein Viertel der Angestellten ist auf Kurzarbeit. Ansteckungen gibt es weniger als im Landesschnitt, obwohl es keine Maskentragpflicht gibt, das Tragen also freiwillig ist.

Volker Stollorz, der Redaktionsleiter des deutschen Science Media Centers SMC, das ungeprüft veröffentlichte wissenschaftliche Studien prüft, sagt, in der hoch gehenden wissenschaftlichen Debatte müsse man vor allem echte wissenschaftliche Kontroversen von Scheinkontroversen unterscheiden. Letztere seien daran zu erkennen, dass sie oft von Personen angezettelt werden, die keine fachspezifische Expertise besitzen, keine Reputation in ihrem Forschungsgebiet erworben haben, sich zu allen möglichen Themen äussern und für die Medien immer verfügbar sind. (NZZ, S. 43)

So, und jetzt ab in den Garten.

Aus den Nachrichten: Russland finanziert 40% des Staatshaushalts aus Öl und Gas. Sinkt der Preis pro Fass unter 15$ kommt gar nichts mehr rein. Jetzt liegt er bei gut 8$!

Eine über 90järige Frau im Altersheim beklagt sich, dass sie und ihre Nachbarin, obwohl sie nicht angesteckt seien, sich nicht besuchen dürften. Das verstehe sie nicht. Recht hat sie.

Wir sind mit dem Velo an der Abfall-Abgabestelle der Immo-Recycling in Eschlikon (gehört der Model-Familie, Karton in Weinfelden).vorbeigefahren. Wir wussten ja schon länger, dass es Leute gibt, die wohl jede Zeitung extra mit dem Auto dahin fahren. Aber sowas: Von Eschlikon eine lange Schlange, die Strasse Einbahn zwischen Büfelden, Hurnen und Eschlikon, Verkehrskadetten, die den Zugang regeln, die Entmüller im Auto mit lauter Musik und Zigi in der Hand und laufendem Motor. Obelix würde sagen „ils sont fous ces Suisses“.


Tag 44. Sonntag, den 26.4.

Gestern wurde der nordkoreanische Staatschef Kim Jong Un als tot gemeldet. Heute scheint das nicht mehr zu stimmen. Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens.

„Lagerkoller“ ist das neue Stichwort. Es soll erklären, warum die Disziplin der Bevölkerung bei den Hygiene- und Verhaltensmassnahmen sinkt. Tut sie das wirklich? Wenn du mit einem Mikrofon durch die Strassen rennst, findest du immer einen oder eine, die dann schon das sagt, was du beweisen willst. Und wenn du dann von jeder Meinung eine hast, dann ist das noch lange nicht repräsentativ, sondern höchstens symptomatisch. Aber wenn du eine Meinung oft genug hörst, wird sie wirksamer.

Wie auch immer: Der „Lagerkoller“ ist ein weiteres Instrument, um den Bundesrat zu einer schnelleren Lockerungspolitik zu drängen. Die Regierung scheint aber vorerst am schrittweisen Rückbau der Massnahmen festhalten zu wollen. So bei der Grenzöffnung, wo einige Personengruppen in Absprache mit den Nachbarländern vermehrt hin und her dürfen. Oder bei Beizen, wo vielleicht einige oder vielleicht in einigen Kantonen alle wieder öffnen dürfen. Die Welschen wollen das weiterhin nicht.

Chapatté findet einen Ausweg aus dem Maskennotstand

Auch wenn die Schulen den Betrieb wieder aufnehmen, in welcher Form auch immer, das schönste am Schuljahr – neben den Ferien, versteht sich –, die Schulreise, fällt dieses Jahr wohl aus.

Die NZZ am Sonntag spekuliert im Wirtschaftsteil über die Schlangen, die sich bilden könnten, wenn morgen die Geschäfte wieder teilweise öffnen. Da wird wild theoretisiert, das Blatt muss ja gefüllt sein. Und wieder mal bewährt sich der Spruch, dass nichts so alt ist, wie die Zeitung von gestern.

In diesen langweiligen, von der Corona-Hektik gekennzeichneten Zeiten, kann es sogar vorkommen, dass die Meldung, die wir in der heutigen Zeitung lesen, schon nicht mehr stimmt. Vorsicht ist also geboten.

Der Bund hat übe 7000 Schweizer aus dem Ausland zurückgeholt.

In Spanien dürfen nach über 6 Wochen Kinder unter 14 wieder für eine Stunde aus den Wohnungen, im Umkreis von einem Kilometer und in Begleitung von Erwachsenen. Diese kommen, wenn alles gut läuft, in einer Woche etwas von der Leine. In Italien bleiben die Schulen bis nach den Sommerferien im September zu.

Die Anhänger von Trump scheinen wirklich nicht alle Tassen im Schrank zu haben. Nicht genug damit, diesen Trottel ins Amt gehievt zu haben. Sie sind ihm so hörig, dass sie seine Ratschläge auch noch befolgen und Desinfektionsmittel saufen. Notfallstationen sind beschäftigt. Der Weise im Weissen Haus verzichtet auf seine Täglichen Pressekonferenzen – Pressebeschimpfung wäre wohl der passendere Ausdruck. Sie seien zu aufwendig und brächten nichts. Der Aufwand hat sich wohl auf die Unterbrechung seines Fernsehkonsums begrenzt, denn er habe sich nicht vorbereitet und statt dessen auf dem Bildschirm rumgeflippt. Er wird sich ganz auf seine Spontaneität verlassen haben. Resultat s.o.

Velotürli (alte Velos): Bichelsee-Oberwangen-Runde. 19,5km, Vø 17,8 (! da hatten wir wohl noch einen Teil des Motörlis in den Oberschenkeln), Vmax 38,5, 1h05. Schön, leichte Bise.

Bei der Ansicht des romanischen Turms der evangelischen Kirche Dussnang (da haben wir geheiratet, vor Urzeiten) kam mir in den Sinn, was mir mein Vater mal erzählte. Als sie im späten 19. Jh. den Turm renovierten, fanden sie oberhalb des Glockenstuhls einen alten Pestsarg, aus Holz, mit einem abklappbaren Boden. Über dem Grab wurde der Boden runtergelassen, und die Leiche fiel ins Loch So konnte der Sarg immer wieder genutzt werden. Das hat mir als Kind grossen Eindruck gemacht. Dass ich was Ähnliches als alter Mann mal selber erleben würde... Die letzte Pest wütete in unserer Gegend 1635.

Pestsarg im Medizinhistorischen Museum Zürich

Heute fand in Bern der sogenannte Tourismusgipfel statt. Die Restaurants sollen ab 11.5. schrittweise in die Freiheit entlassen werden, wie auch die Kultur und der Sport.

In Belgien hilft eine Hotelière Obdachlosen. Sie findet es daneben, dass wir nicht raus dürfen, und sie nicht rein.

In den USA starben in zwei Wochen über 50‘000 Menschen im Zusammenhang mit Covid19. Vor hundert Jahren starben dort 700‘000 an der Spanischen Grippe (die von US-Soldaten kam). In der zweiten Welle, die erst noch aussteht.

Elo: In Deutschland gibt es doch manchmal Dinge, die besser sind, als in der Schweiz. Ich: Du!

Tag 45. Montag, den 27.4.

Heute beginnt die Lockerung der Massnahmen. Die Reise aus dem Coronaland sozusagen. Die Rückreise wird länger dauern, als die Hinreise.

Heute ist Velotag. Wir waren uns nicht mehr sicher, ob die neuen Cresta besser sind, als die Kalkhoff, die wir am Samstag ausführlich ausprobiert hatten. Also machten wir – ausserhalb der offiziellen Geschäftszeiten – nochmals zwei Probefahrten. Wir blieben bei den Cresta.

Die blauen, auch Cresta, deren Rahmen in Sirnach in der ehemaligen Alpa produziert werden, hatten wir 8 Jahre und sind „many a mile“ damit gefahren, in vier oder fünf Ländern. Wir waren mit ihnen an Elbe, Moldau, Mosel, Rhein, Main, Ruhr, Saar, Ruwer, Donau. Sie tun uns etwas leid, aber wir schenken sie der Gemeinde für das Sozialamt. (Ich hatte ja in Münster, als wir kein Geld hatten, auch eines von der Caritas, das nach etwas Aufmöbeln in der Trottoir-Garage vor den Haus (Kugellager mit Olivenöl geschmiert) 3 Jahre tiptop lief, 3 Gänge und Rücktritt. Genial für die Stadt.)

Jetzt haben wir ein blaues (Elo) und ein rotes (Jürg) Rad. Elo hätte lieber ein rotes gehabt, aber deswegen 4-6 Wochen zu warten, war dann doch zu lang. Die Velos haben Riemenantrieb mit stufenloser Nabenschaltung, breite Pneus, einen leistungsstarken Bosch-Motor CX mit 75Nm[1] maximalem Drehmoment und eine 650 Wh-Batterie. In der stärksten Stufe muss ich zu uns rauf fast bremsen. Wir kommen sicher 100 km weit.

[1] Im Internet gelernt: 1 Newtonmeter ist die Kraft, die an einem Hebel von 1m mit rund 100gr auf den Drehpunkt wirkt. 75 Nm sind also 7,5kg, die an einer 1m langen Stange runterdrücken würden. Das gibt Zug.

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Und hier die zwei Generationen:

Ganz billig sind die Dinger nicht. Für die beiden bekämen wir locker das günstigste Auto, das in der deutschen TV-Werbung angeboten wird.

Wir machten uns sofort auf die Piste. Und wie. Wir sind 2¾ Stunden gefahren, rauf und runter, 47 km. Sirnach-Kreuzstrasse – Gloten-St.Margarethen-Lommis-Flugplatz-Zezikon-Wetzikon-Thundorf-Matzingen-Aawangen-Aadorf-Balterswil-Wallenwil-heim. Mit nur einer Flasche Wasser und nur zwei kurzen Pausen. Das war mehr als genug, ich muss besser einteilen. Aber die Beizen sind eben jetzt nicht offen. Die eine Pause machten wir vor Wezikon auf einem Baumstamm. Mitten im frischen Harz. Zum Schutz der Sättel nahm Elo das Plastikhäubchen aus dem Satteltäschli, ich ein Tuch. Meines klebte dann an den Hosen. Praktisch. Das Harz entfernten wir zuhause mit Nagellackentferner - kluges Kind die Elo.

Der Sattel des neuen Velos passte mir nicht. Da habe ich den alten montiert. Es war eine Klütterei, aber es ging. In der Garage habe ich noch eine Leitung gelegt unter Zuhilfenahme der Stichsäge, sodass wir jetzt beide laden können, ohne die Batterie rauszunehmen.

Wir freuen uns auf die weiteren Fahrten. Und wir danken Peter, Ruedi und Harry für die guten Tipps.

Da hatte ich etwas weniger Zeit zum Radio-Hören und Tagebuch-Schreiben. Aber so ein paar Sachen sind mir schon noch aufgefallen:

  • Die zwei Seiten über Käuferschlangen und die Metaphysik des Schlange Stehens in der gestrigen NZZ am Sonntag waren, wie erwartet, für die Katz. Zwar gab es Verrückte, die schon vor der Eröffnung an den Gartencenters und Heimmärkten anstanden. Aber am Mittag war das alles vorbei, und es gab einen guten Geschäftstag für die Läden. Was die Verrückten wohl gehamstert haben? Sicher kein WC-Papier mehr, aber Chrütli und Schrübli, denk ich.
  • Geöffnet haben auch die Coiffeusen, Masseure, Physiotherapeutinnen. Auch die Arztpraxen laufen wieder stärker


    (Die Bilder im TV waren ohne Handschuhe, direkt am Kopf)

  • Die Fluggesellschaft Condor, die eher marode ist, erhält von der Bundesregierung in Berlin und von der Landesregierung in Hessen 500 Mio €. Die Lufthansa will mehr, es werden 10 Mia rumgeboten!
  • Boris der Strubelkopf ist wieder im Amt. Die Fernsehbilder lassen darauf schliessen, dass in Grossbritannien die Coiffeurs noch nicht offen haben. Er mahnt aber zu langsamem Vorgehen. Durch Schaden klug geworden?
  • Die Grosseltern dürfen in der Schweiz die Enkelinnen und Enkel wieder umarmen. Aber noch nicht hüten, denn das gäbe zuviel Kontakt zur Mittelgeneration, und diese ist ansteckend. Kinder hingegen (fast) nicht.
  • Maskentragen wird weiterhin kontrovers diskutiert. In Deutschland gibt es in allen Bundesländern (die letzten zwei kommen noch) die Pflicht beim Einkauf und im ÖV. Da kann sich keine Landesregierung dem öffentlichen Druck entziehen, auch wenn der Nutzen gering scheint.
  • In Deutschland haben die Grünen eine Delle in den Umfragewerten. Sie regieren eben nur in einem Bundesland, in Stuttgart. Und wer nicht regiert, ist keine Macherin. Aber das Thema der Grünen wird schon wieder kommen, mit Macht.


    (Bild Marc Zaugg)

  • Wir haben zwei Tageszeitungen: Die Thurgauer Zeitung der CH Media-Gruppe und die NZZ. Die TZ fordert schnellere Lockerungen, die NZZ warnt vor der zweiten Welle und mahnt zur Vorsicht. Beides auf dem Z’morgen-Tisch. Da werde einer schlau.

Und weiter: Saudi-Arabien schafft die Auspeitschungen und Todesstrafe für Minderjährige ab. Und ist noch stolz auf dieses Schrittchen hin zu einem zivilisierten Land. Auch wenn es für die Betroffenen natürlich ein entscheidender Schritt ist.

Freund Marc (Bild s.o.) hat mir noch einen Spruch von Mark Twain aus dem Bund geschickt: "Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte.“ Mir geht es immer alle sieben Jahre wieder so.

Tag 46. Dienstag, den 28.4.

Heute war ich bei der Haus-Gwaffös. Elo hat mich geschoren. 3mm, rund um die Birne. Sieht gut aus.

Wer zahlt für die Ausfälle, die die Spitäler hatten, weil sie Kapazitäten freistellen mussten? Die Krankenkassen sollen in ihre Taschen greifen, meinen die Kantone. Frau Hanselmann, die noch-Sanitätsdirektorin in St.Gallen und noch-Präsidentin der Sanitätsdirektorenkonferenz, begründet das mit den ausgefallenen Leistungen und schielt dabei auf die Reserven der Kassen. Da schlägt ihre (parteipolitisch gegebene) Affinität zur Einheitskasse durch. Und sie hat wohl nicht ganz begriffen, für was Reserven in einer Krankenversicherung sind: Für Leistungen die bereits bezogen sind, deren Rechnungen aber noch ausstehen. Die Kassen wehren sich, meiner Meinung nach mit Recht, dagegen, für Leistungen zu bezahlen, die gar nicht angefallen sind. Das ist denn doch etwas artfremd.

Wird alles anders nach Corona? Zwei Stimmen heute gehen in die Richtung meiner Zweifel. Der Soziloge Armin Nassehi aus Deutschland und der ägyptische Tourismusunternehmer Sami Sawiris, der in Andermatt gross investiert hat. Sawiris bringt es auf den Punkt. Er hat in Ägypten schon viele Katastrophen erlebt, die den Tourismus jeweils von heute auf morgen auf null reduziert haben. Er sagt: „Ich glaube nicht daran, dass es ein Leben vor und eines nach Corona gibt. Aus den vielen Krisen der letzten vierzig Jahre habe ich eines gelernt: Die Menschen haben ein kurzes Gedächtnis und kehren erstaunlich schnell zu alten Gewohnheiten zurück. Sobald ein Medikament oder ein Impfstoff zur Verfügng steht, läuft alles wieder wie früher.“

Vor der Welle = nach der Welle?

Es gibt – allerdings noch nicht bestätigte – Untersuchungen, dass schlechte Luft die Ansteckung mit dem CV befördert. Die Untersuchung befasst sich mit Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland. Das könnte z.B. ein Grund für die hohe Infektionsrate in der Lombardei mit ihrem notorischen Smog sein. Plausibel ist es, befällt doch das CV vor allem die Atemwege, die in solcher Luft eher geschädigt sind. Aber plausibel allein reicht nicht. Wie war das in Peking mit seinem Mega-Smog?

Heute wird viel über den kommenden Tourismus in der Schweiz geschrieben. Die Ausländer werden im Sommer eher ausfallen, die Schweizer müssen, wenn sie überhaupt wegfahren wollen, im Inland bleiben? Wohin? Der ehemalige Olma-Direktor und jetzige Präsident des Schweizer Tourismusverbands, Nicolo Paganini, rät für Ferien in dem uns benachbarten Toggenburg (der Hinterthurgau, aus dem ich stamme ist vom Baustil her und dialektologisch der nördlichste Teil davon). Aber Elo will da nicht hin. Bergwandern ist nicht ihre Sache.

Auch die Autowaschstrassen sind wieder offen. Das haben wir gestern schon in der Webi Sirnach gesehen. Jetzt können die armen Seelen wieder ihr Geliebtestes pflegen. „Ich lege Wert auf Sauberkeit“ bekräftigt der mittelaltrige Herr (oder ist er schon ü65 und für mich halt doch noch „jünger“?), der mit Hochdruck auf der Jagd nach Blütenstaub ist.

Der Zaun zwischen Kreuzlingen und Konstanz wird weiterhin als sehr störend empfunden, was zeigt, wie die beiden Städte zusammengehören[2]. So tauschen sich gegenwärtig nicht nur getrennte Liebespaare über oder durch den Zaun hinweg aus, auch die beiden Stadtpräsidenten halten es so. Sie treffen sich von hüben und drüben an den beiden Drahtzäunen im Abstand von den nötigen zwei Metern. Es geht halt nichts über den persönlichen Kontakt, und sei das nur aus der nahen Ferne.

[2] Bis zum Konzil von vor 600 Jahren und den Folgen daraus, war Konstanz die Hauptstadt des Thurgau. Es liegt südlich des Rheins, sein Hinterland waren die Bauerndörfer Richtung Seerücken. Nachdem die Eidgenossen den Habsburgern auf Anstoss des damals nicht-habsburgischen Kaisers diesen die Landschaft Thurgau abgeknöpft hatten, war Konstanz abgetrennt. Es wollte der Eidgenossenschaft beitreten, aber die Landstände fürchteten sich vor einer Mehrheit der Stadtstände und lehnten ab. So wurden und blieben wir Thurgauer eine Gemeine Herrschaft (ohne Bern, das in der Waadt und im Aargau genug zu tun hatte) – bis 1798.

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Aufgeregt hat uns heute in der NZZ eine Philippika des Deutschen Historikers Michael Wolffsohn. Er reitet unter dem Etikett der Bekämpfung von Antisemitismus und Antizionismus eine Attacke gegen die Linksliberalen, die er – Historiker! – tel quel in einen Topf mit den Rechtsradikalen wirft. Jeder der Kritik am Staat Israel übt, kommt in diesen Topf. Nicht nur, dass es hier doch wohl einiges zu kritisieren gäbe, er begibt sich als Wissenschafter, der er zu sein vorgibt, auch der Möglichkeit, historisch überhaupt etwas zu verstehen.

Und dann seine Sprache. Er bezeichnet die Linken und Linksliberalen als „Li-Libs“ und quetscht diesen Begriff, auf den er wohl stolz ist, bis zum Erbrechen aus. Genüsslich bringt er ihn ein über das andere Mal, immer in negativem Zusammenhang. Nach der Einführung des Begriffs, wird nur noch von Li-Libs gesprochen. Entmenschlichend .Das ist keine Wissenschaft, das ist Diffamierung übler Art, ein Missbrauch der Sprache, den wir im Deutschen sattsam kennen! Stigmatisierung Andersdenkender. Und auch um keinen Deut besser, als das, was wir ennet des grossen Teichs zurzeit erleben.

Er setzt zwar zu Beginn einen Vorbehalt, den er aber gleicht wieder zurücknimmt, und damit die Sache noch schlimmer macht: „Fairerweise [!] muss einschränkend erwähnt werden, dass viele [!] Li-Libs sich subjektiv nicht als Antisemiten oder Antizionisten wahrnehmen[!]. De facto sind sie es, weil sie in der internationalen Politik- und Kulturarena den Seinsgrund der jüdischen und israelischen Mehrheit unterminieren.“ Wenn das kein Denkverbot ist, keine geistige und öffentliche Zensuranweisung.

Und er hat nicht einmal seinen Marx richtig gelesen: Religion ist „Opium fürs Volk“, zitiert er, falsch. Denn Marx sagte „Opium des Volkes“, womit er meinte, das Proletariat hätte nichts anderes, um sich in seinem Elend zu betäuben. Und nicht, die Religion werde (bewusst) so eingesetzt.

Die Woche Sondersession in den BEA-Hallen in Bern, die jetzt modern Bern Expo heissen, kostet drei Million Franken. Das ist viel, aber da haben sie das Geld schon für Dümmeres ausgegeben.

Im März gab es 10% weniger Asylgesuche. Die geschlossenen Grenzen haben auch hier Auswirkungen.

Von 2017 auf 2018 sind die Kosten des Gesundheitswesens um 3% gestiegen. Bei Nullinflation.

Spaziergang: Kreuzstrasse-Sirnacherberg-Schützenhaus-heim. 1h25.

Endlich regnet es (homöopathisch). Es ist leider noch „‘s bättle versumt“. Unter den Bäumen ist es ganz trocken geblieben. Aber das volle Laub im Wald ist schön.

Das Kraftwerk auf unserem Dach hat einen absoluten Rekordmonat. Heute haben wir mit 1,9 Mw auch die bisher besten Sommermonate übertroffen. Wäre der Regen früher gekommen und hätte den Blütenstaub abgewischt, wären es noch viel mehr. Die Landschaft leidet unter der vielen Sonne.

Beim Abendessen meine ich, wir hätten doch ein gutes Restaurant, sowohl für Speis als auch für Trank. Und es hätte den Vorteil, dass es nicht geschlossen sei, meint Elo.

Frankreich und Österreich lockern auch, Frankreich ab 11. Mai die Grundschulen und Geschäfte, nicht aber die Restaurants, Österreich ab nächste Woche noch mehr, auch Restaurants. Österreich hebt am 1. Mai die Ausgangssperre auf, am Tag danach öffnen die Läden, am 15. Mai die Restaurants und am 29. Mai die Hotels. In Österreich ist der Sicherheitsabstand dann ein Meter, pro Tisch dürfen im Lokal nur 4 Personen sitzen, Masken sollen Pflicht sein. Auch für Gäste? Das gäbe wenig Umsatz.

Es wurde in der Schweiz eine überdurchschnittliche Alterssterblichkeit festgestellt. Das, so Elo, hilft, die Altersvorsorge zu entlasten, die wir ja angeblich so bedrücken. Wir geben alles!

Merkel stellt fest, dass die Klimaziele nicht ausreichen und fordert, sie zu verschärfen. Sie will Konjunkturförderungsprogramme an Klimaziele binden und vor allem weiterführende Technologien fördern.

Der Flughafen BER in Berlin ist jetzt abgenommen. Er könnte also wirklich im Oktober in Betrieb gehen, nur 9 Jahre zu spät und mit vermutlich kleinem Verkehr.

Zu Indien: Zum Lockdown und der Repression der Presse im ganzen Land sagt ein kashmirischer Journalist sarkastisch: „Sie wollten Kashmir indisch machen, und jetzt machen sie Indien kashmirisch.“ Dort herrschen seit langer Zeit Ausgangssperre und Repression.

In Genua ist die Nachfolgerin der Morandi-Bücke nach nur 7 Monaten Bauzeit im Wesentlichen fertig und soll im Juni eingeweiht werden. Die Italiener sind eben, wenn sie wollen, viel effizienter, als wir ihnen gemeinhin zugestehen wollen. Das haben schon meine Kollegen im Südtirol immer gesagt, als ich dort für die Regierung arbeitete.


Tag 47. Mittwoch, 29.4.

Die Zeitungen sind ja dünn geworden. Und sicher ist auch der Redaktionsstab ausgedünnt. Aber die sprachliche Aufmerksamkeit ebenso. In der Thurgauer Zeitung auf Seite 1 die Unterschrift zu einem Bild mit Frau Sommaruga in einem Schulzimmer: „Was Lehrer und Eltern besorgt...“ Eltern und Lehrer besorgen in diesem Zusammenhang gar nichts, sie machen sich höchstens Sorgen um etwas, Gedanken über etwas. Und dann ein Titel auf der ersten Seite des zweiten Bundes: „Jungfreisinnigen pochen auf föderale Lösung“. Das sei ihnen unbenommen, aber wenn im Titel das „Die“ zu lang ist und gestrichen werden muss, dann bitte auch das „n“ bei den Jungfreisinnigen.

Der Druck auf einen schnelleren „Relaunch“ nach dem „Lockdown“ steigt. (Relaunch meint doch schlicht Neustart!) Bundesrat Maurer schert dabei in einem Interview mit der NZZ ein erstes Mal aus der Bundesratskollegialität aus, etwas scheinheilig, wie gewohnt, wenn er sagt, er trage alles Beschlossene mit, auch wenn es manchmal schwer falle. Und dann doch seinen Gegenkurs öffentlich macht. Macht er hier von aussen Druck auf das Gremium?

In der NZZ gibt es auf der Seite „Meinung und Debatte“ drei redaktionelle Beiträge: Zuerst „Es braucht ein Maskenobligatorium“ mit dem klaren Satz: „Dabei ist sonnenklar, dass es gar nicht anders geht.“ Weil es eben in Nachbarländern auch so ist. Dann: „In Österreich funktionieren die Lockerungen“, und grad drunter: „Eine schnelle Öffnung wäre unverantwortlich“.

Was unter dem Schutz der Wirtschaft vor den Massnahmen an kruden und irrwitzigen ungefilterten, nicht reflektierten „Argumenten“ in den Gazetten so alles kursiert, kommentiert ausführlich die Medienwoche in einem Beitrag: https://medienwoche.ch/2020/04/28/corona-kommentare-starke-forderungen-schwache-argumente/.

Die Trockenheit ist weiterhin gross, grösser als im April 2018 mit dem anschliessend sehr trockenen Sommer. Das bisschen Regen hilft da wenig.

In der Psychiatrie ist jetzt eine digitale Diagnose von Swissmedic zugelassen und damit Kassenpflichtig. Ab Bildschirm müssen Fragen beantwortet werden. Der Computer berücksichtigt 400 Symptome als Parameter und erstellt dann für den Therapeuten eine Symptomkarte, die auf Krankheitsbilder hinweist wie Schizophrenie, Depression, Magersucht etc. Ich bin vielleicht etwas altmodisch, aber ich habe meine Zweifel, ob ein solches Verfahren ein Gespräch ersetzt. Und was das im Menschen auslöst, der durch den mehrstufigen elektronischen Befragungsdschungel muss?

Die Sehnsucht nach Sicherheit ist gross. Jeden Tag gibt es eine neue Schlagzeile über einen baldigen Impfstoff. Jetzt aus Oxford für den Herbst. Vielleicht. Dann fast naiv: Damit seine Wirksamkeit nachgewiesen werden könne, müssten die Probanden, da man Menschen im Gegensatz zu Tieren nicht aktiv infizieren könne, genügend der Infektionsgefahr ausgesetzt werden. Und das sei bei abnehmender Infektionsrate immer schwieriger.

Die Kirchen fordern eine Lockerung für die Gottesdienste.

Die Hochschule St.Gallen macht in einer Medienmitteilung Untersuchungen des Global Center for Entrepreneurship & Innovation der Universität St.Gallen (GCEI-HSG) bekannt, das mit Auswertungen der ESA-Luftbilder von China frühe Prognosen über den wirtschaftlichen Einschnitt in China machen konnte. Sie werteten die abnehmende Lichtverschmutzung ebenso aus, wie die abnehmende Luftverschmutzung. „Die Auswertung zeigt, dass in der am stärksten betroffenen Region um Wuhan City die Luftverschmutzung zwischen dem 24. Januar 2020 und dem 21. Februar um 85 Prozent zurückging. Im Durchschnitt fielen die Emissionen in China um 38 Prozent. Auf dieser Basis berechnete das GCEI-HSG für die genannte Periode einen Verlust von rund 216 Mia. Dollar für den chinesischen Industriesektor.“

Die Lichtverschmutzung zeigt die Pressemitteilung in zwei Bildern:

„‘Durch die Messung der Lichtintensität können auch nichtindustrielle Aktivitäten wie etwa Transportprozesse sehr zeitnah erfasst werden‘, erklärt Mike Hudecheck, Doktorand am GCEI-HSG. Erwartungsgemäss sanken die entsprechenden Werte in allen grossen chinesischen Städten und auf allen grossen Verbindungsstrassen im Januar und Februar. ‚Zu unserer Überraschung zeigte sich aber, dass in einigen Regionen die Menschen bereits eine Woche vor der verordneten Quarantäne am 23.01. begannen, ihre Mobilität einzuschränken‘. Auch konnte beobachtet werden, dass die Bewohner der nördlicheren Städte eher zuhause blieben als jene im restlichen China.“ Dazu zwei Bilder:

Die Lichtverschmutzung Shanghais anfangs Januar 2020


Abnehmende Lichtverschmutzung in Nordostchina (Beijing-Tianjin und Liaonig) 3.1. – 22.2. (rot abnehmend, blau zunehmend)


Dass der Thurgau die Kontaktsperre in den Alters- und Pflegeheimen etwas schneller lockerte, als andere Kantone, könnte damit zusammen hängen, dass die Eltern des Regierungspräsidenten beide im Pflegeheim sind. Persönliche Erfahrungen sind oft durchaus hilfreich.

Die Sozialkommissionen des Bundesparlaments fordern, dass Firmen, die Kurzarbeitsgeld beziehen, für dieses und nächstes Jahr keine Dividende auszahlen dürfen.

Der Bundesrat will die von ihm beschlossene Notverordnung in ein reguläres Bundesgesetz überführen, womit das Parlament und allenfalls die Stimmbürger mitbestimmen könnten.

Die SUVA meldet vermehrten Veloverkehr durch das CV. Sie berichtet dabei auch, dass pro Jahr über 30‘000 Velounfälle vorkommen, davon über 70% selbstverschuldete. Aber eben auch fast 30% durch Drittverschuldung. Der Schutz der Velofahrer bleibt ein Thema – von beiden Seiten gesehen.

Die Corona-Verfolgungs-App ist weiterhin ein Thema. Jetzt geht es drum, wer macht es, und ist es freiwillig. Eine Parlamentarierin fordert ein Obligatorium. Das scheint uns eine Schnapsidee, denn: dürfen dann nur noch jene ins Freie, die ein Smartphone haben, das die App betreiben kann? Und die anderen haben Hausarrest?

Interessanterweise ist der abtretende Zürcher Datenschützer Bruno Bäriswil, der sehr strikt ist und 25 Jahre Erfahrung auf dem Gebiet des Datenschutzes hat, der gleichen Meinung wie die Frau. Er argumentiert staatspolitisch. Die App dürfe nur vom Bund betrieben werden, da dieser per Gesetz Auflagen machen könne, die bei Privaten wie Google oder Apple nicht durchsetzbar seien. Und wenn schon der Bund, dann nur obligatorisch, da nur so eine Durchdringung der Bevölkerung von 60-70% erreicht werden könne, die für das Funktionieren notwendig sei. Der Bund könne auch gesetzlich verpflichtet werden, die App zu schliessen, wenn sie nicht mehr gebraucht werde. Das sei zwar eine starke Einschränkung der individuellen Freiheit, aber diese sei in der jetzigen Zeit auch auf anderen Gebieten gegeben und vollzogen.

Das Junktim von „der Staat muss es machen und niemand anders“, und „wenn schon der Staat, dann obligatorisch“, überzeugt mich nicht. Dem ersten Teil stimme ich zu, dem zweiten nicht.

Bäriswil weist im Interview im Rendevouz am Mittag auch auf Datenschutzprobleme des Arbeitens zuhause hin. Sensible Daten (Steuern, Schulen, Gesundheit)würden auf privaten Geräten bearbeitet, die oft wenig geschützt sind. Es sei denn auch eine Zunahme von Phishing-Mails festzustellen, mit denen Kriminelle sich Zugang zu den Computern zu schaffen versuchen.

Spaziergang: Roset-Waldrand-Luttenberg-Murg-Öliweiher-heim. Eine gute Stunde. Durchzogen mit Sonne, Westwind, kühler.

Der Bundesrat hat heute Nachmittag bekannt gegeben, dass ab dem 11.?Mai Restaurants wieder Gäste bedienen können. Die Vorschriften sind nicht so einschneidend, wie es die Branche befürchtet hatte (wieder mal auf Vorrat). In einem ersten Schritt sind an einem Tisch maximal vier Personen oder Eltern mit Kindern erlaubt. Alle Gäste müssen sitzen. Zwischen den Tischen sind zwei Meter Abstand oder aber trennende Elemente nötig. Wie es in der Gastronomie genau weiter geht, entscheidet der Bundesrat am 27.?Mai.

Bars müssen vorderhand geschlossen bleiben, sofern die Gäste nicht sitzend bedient werden und die Abstandsregeln nicht eingehalten können. Über die weiteren Öffnungsschritte entscheidet der Bundesrat am 27.?Mai. Freund Matthias meint: „Bars, Clubs, Discos sind Orte mit sehr hohem Lärmpegel. Folge: die Leute müssen A. sich sehr nahekommen, um sich zu verstehen und B. sehr laut sprechen, um verstanden zu werden. Beides beste Voraussetzungen für Übertragung. Ich könnte mir vorstellen, dass sich der Bundesrat u.a. deshalb mit der Gastronomie schwer tut.“ Bei den Bars hat der Bundesrat eben gebremst.

Ab 11.?Mai dürfen sämtliche Läden wieder Kunden bedienen. Das hat der Bundesrat am 29.?April bestätigt. Für Märkte gilt dieselbe Regel wie für die übrigen Einkaufsläden. Sie dürfen ab dem 11.?Mai wieder den Betrieb aufnehmen. Ebenso Bibliotheken und Museen.

Ab wann dürfen Supermärkte Waren für den nichttäglichen Gebrauch wieder verkaufen?

Die Sortimentsbeschränkung in den Lebensmittelläden der Supermärkte wird ebenfalls am 11.?Mai wieder aufgehoben

Die Bergbahnen müssen noch warten. Entschieden wird Ende Mai für den 8. Juni. Bei den Bahnen wäre es wohl sehr schwierig die Abstandsregeln einzuhalten. Wer auf die Berge will, muss zu Fuss oder per Velo (eMoutainbike!) gehen. Gut für die Fitness, schwierig für die Bahnbetreiber, die sich ja schon zu Beginn der Schliessungen teilweise um die Vorschriften foutiert haben.

Die Schulen können am 11. Mai öffnen. Die Kantone behalten ihre Souveränität in dem Bereich der Durchführung dieses Entscheids, auch darin, ob sie bis dahin bereit sind. Das hat der Bund ihnen (ihrer Mehrheit) zugestanden.

Grossveranstaltungen sind bis September verboten. Es sind nur Veranstaltungen mit maximal 1000 Personen erlaubt. Jetzt haben die Veranstalter die gewünschte Klarheit. No Openairs und Schwingfeste.

Die Ostschweizer Kanton wollen Geld vom Bund für die Ausfälle in den Spitälern. Auch auf die Krankenkassen hoffen sie noch. (Meine dazu Haltung s.o.)

Der Bundesrat schlägt dem Parlament eine Reihe von Unterstützungen vor: So sollen die Medien 50 Millionen erhalten, aufgeteilt in reduzierte Posttaxen für die Zustellung, sowie die Unterstützung von unabhängigen Nachrichtenagenturen und Online-Medien.

Auch für die Fluglininien gibt es Vorschläge: Swiss und Edelweiss sollen Bundesbürgshaften in Höhe von 1,2 Mia erhalten, bei einem Finanzbedarf von 1,5 Mia. Die Muttergesellschaft Lufthansa muss aber Garantien leisten: Standort, Einhaltung Klimaziele, Geld muss in der Schweiz bleiben, keine Dividende.

Easyjet erhält nichts, die Gesellschaft habe genug Reserven. Swissport, Gate Groupe und SR Technics erhalten Bürgschaften von 600 Mio Franken. Die Grünen sind „schockiert“ (grosse Zeiten erfordern grosse Worte). Sie wollten mehr Auflagen an die Bürgschaftsnehmer.ö

Die Lufthansa erpresst offensichtlich die Berliner Regierung. Sie droht Insolvenz an.

Tag 48. Donnerstag, den 30. April

Ab 11.5. dürfen die ehelichen oder eingetragenen Partner wieder über die Grenzen. Die ausschliesslich per Liebe Verbundenen müssen sich noch gedulden, wo doch gerade sie die grösste Ungeduld haben dürften, wenn ich mich noch richtig erinnere.

Das Tracing wird verschärft und stützt sich vorerst auf Beamte, die die gemeldeten Fälle verfolgen müssen. Die Kantone rüsten auf. Die App ist noch nicht so weit. In den Beizen müssen wir wohl unsere Personalien abgeben, die Wirte müssen Buch führen. Wer mit Infizierten in Kontakt war, muss 10 Tage in Quarantäne und beobachten (lassen?), ob Symptome auftauchen. Das sieht dann schon etwas nach Überwachungsstaat aus. Der Anglicismus „Tracing“ verdeckt die Wahrheit. „Verfolgung“ wäre ehrlicher.

Am Tag nach der Erweiterung des Neustarts werden die Massnahmen diskutiert. Die Wirte sind erfreut über ihre erfolgreiche Intervention – auf schweizweiter Ebene erfreut. Der kantonale Wirtepräsident Bartel ist immer noch skeptisch. Er meint, die Sache sei weder Fisch noch Fleisch, und er muss es wissen, er kocht ja. Halb offen, halb zu, ob sich das lohnt. Auf jeden Fall ist die Schlagzeile der Thurgauer Zeitung doch etwas verfrüht. Stammtisch zu viert?

Der Mann ist doch noch etwas einsam


Aber für Frau Hanselmann von der Sanitätsdirektorinnen-Konferenz gehen schon die 4 pro Tisch zu weit. Sie ist wohl kein Stammtischprofi.

Die Thurgauer Zeitung bringt eine Erweiterung der Familien-Begriffe. Bei der Nachfolgespekulation um den Nordkoreaner Kim Jong Un wird ein „Halbonkel“ genannt. Halbonkel? Eine Fehlübersetzung aus dem Koreanischen? Oder aus dem Englischen (Step Uncle, was dann Stiefonkel sein müsste).

Neben den vielen abgesagten Grossanlässen, hofft die Olma noch. Eher vergeblich.

Im Zusammenhang mit der Förderung von Online-Medien und den täglichen Selbstinseraten für die Online-Ausgabe der Thurgauer Zeitung wagt Elo die Voraussage, dass wir am Jahresende nur noch eine Zeitung per Papier haben, die NZZ. Die TZ werde verschwunden sein. Sie ist Fachfrau, und sie hat oft recht (noch fast mehr als ich...)

Wird die Schweizer Fussballmeisterschaft auch in den oberen zwei Ligen und im Cup abgebrochen, statt über Geisterspiele weiterzugehen? Dann wäre ja St.Gallen Meister! Das werden sich doch die Grossen nicht bieten lassen. Matthias Hüppi, der St.Galler Präsident, sonst einer der Lautesten, ist auffällig ruhig.

Die Geschichte mit den Ölpreisen ist offensichtlich nicht ganz so einfach, wie ich angenommen hatte. Es sind nicht die fehlenden Lagerkapazitäten, die zu Negativpreisen bei amerikanischem Öl führten, sondern wilde Spekulationen. Es sind nicht Ölhändler sondern Fonds, die auf den Ölpreis spekulieren. Die Futures-Kontrakte laufen jeweils auf einen Monat. Bei Verfall wird geliefert. Wenn nun der Preis nicht so gekommen ist, wie sie spekulierten, müssen sie Öl verkaufen, denn abnehmen können sie es als Nichthändler nicht. Das gibt dann zu einem bestimmten Zeitpunkt ein sehr grosses Überangebot. Und führt zu einem kurzfristigen rasanten Preiszerfall. Diesmal war das mit den Kontrakten per anfangs Mai so. Das alles erklärt Marco Dunand in der NZZ ausführlich (https://www.nzz.ch/wirtschaft/mercuria-ceo-marco-dunand-im-interview-ld.1553880).

Dunand ist Mitgründer und Chef des Genfer Rohstoffhändlers Mercuria. Er sagt weiter, dass es bisher genügend Lagerkapaziäten gibt. Ein grösserer Teil davon auf Schiffen, was teurer ist. Wenn sich die Produktion ausserhalb Amerikas nicht mehr lohne, könne sie runtergefahren werden. Der Preis werde aber nicht sehr stark ansteigen. Das sei auch ein Problem für die erneuerbare Energie, die zu teuer sei und daher vor allem ausserhalb Europas gebremst werde.

Heute früh äussert sich ein angesehener deutscher Virologe, es bestehe die Möglichkeit, dass Kinder allenfalls ansteckender seien, als bisher angenommen. Das befeuert die Diskussion um die Öffnung der Schulen und die Art, wie das zu geschehen habe, schlagartig. Die Unsicherheit ist gross, hat doch der Bundesrat den Kantonen und Gemeinden fast alle Freiheiten in der Sache gegeben.

Zwei Beispiele: Wie Basel, Aargau Appenzell und Graubünden will auch der Thurgau die Schulen ganz normal öffnen. Zürich und St.Gallen in alternierenden Halbklassen. Maskenpflicht gibt es in Thurgauer Schulen nicht. Die Begründung der Bildungsdirektorin in Frauenfeld Monika Knill, warum die Matur auch mündlich durchgeführt werden soll, überzeugt. Sie sagt, Schülerinnen und Schüler, die schriftlich schwächer, aber mündlich stärker seien, würden sonst benachteiligt. St.Gallen, das auf mündliche Prüfungen verzichtet, wertet dafür die Vornoten mit 2/3, statt wie normal mit 50%.

Spaziergang: Via Langweg über die Biorender AG nach Münchwilen und der Murg entlang zurück. 1h15, nass und kühl.

Für die „alten“ Velos haben wir eine andere Verwendung gefunden. Unsere Haushilfe Lumka hat grosse Augen gemacht und gemeint, die wären ideal für ihre Tochter Elvira und ihren Mann Bashkim. Bashkim muss noch kommen, um die Grösse zu testen (er ist gross), für Elvira passt es sicher. Umso besser!

In den USA stieg die Arbeitslosenquote seit Februar von 3,5 auf 15%; es sind jetzt 30 Mio Menschen arbeitslos.

Tag 49. Freitag, den 1. Mai

Alles neu, macht der Mai, macht die Seele frisch und frei, heisst es im Lied nach der Melodie von „Hänschen klein“. Mal sehen.

Der 1. Mai findet auf Balkonen oder im Netz statt. Gebremster Schaum, gezwungenermassen.

Freundin Regula Keller aus den68er-Zeiten hat sich einen 1.-Mai-Hausaltar eingerichtet, indem sie ihre Memorabilien an der Küchentüre montierte:


Die Betreuungsarbeit der Alten für die Kinder entspricht in der Schweiz im Normalfall 30‘000 Krippen- und Tagesplätzen.

Velotürli: Via Eschlikon nach Aadorf, über Maischhausen-Ifwil zurück nach Eschlikon, via Ragatz nach Rosental, der Murg entlang heim. Kreuz und quer, Hügeli uf, Hügeli ab. 28 km, knapp zwei Stunden. Sonne und dunkle Wolken, viel zügiger Westwind.

Die SBB raten Kunden dringend, in Situationen, in denen die vorgeschriebenen 2m Abstand nicht gehen, Masken zu tragen. Eine Pflicht gibt es nicht, sie wäre nur schwierig umzusetzen.

Der berühmte Bondi Beach in Sidney ist wieder teilweise offen. Nicht zum sünnle, aber zum Schwimmen und Surfen. Australien wie auch Neuseeland gehen schrittweise zurück zur Normalität. Ein Teil der Geschäfte öffnet wieder, Restaurants und Bars noch nicht.

Russlands Regierungschef Michail Mischustin ist vom CV infiziert.

Der Kaiserpalast in Peking ist wieder geöffnet. Besucher müssen sich anmelden im Internet, Besucherzahl maximal 5000 pro Tag. (Als wir 72-74 in Peking arbeiteten, waren es jeweils ein paar Dutzend, vor CV Zehntausende oder mehr.)

China will die Leute mit Einkaufsgutscheinen zum Konsum anregen, aber die Einkaufslaune ist getrübt.

Einen Überblick über die Lage geben zwei Grafiken der NZZ. Zunächst Europa.

Die Vereinigten Staaten zählen mit weit über einer Millionen Infizierten (1.5.) die meisten bestätigten Fälle der Welt. Die Zahl der Toten liegt bei mehr als 63?000. Präsident Donald Trumps Berater im Kampf gegen das Coronavirus, der Immunologe Anthony Fauci, rechnet mit 100?000 bis 200?000 Toten.

Die USA sind noch nicht über den Berg. Noch nicht einmal auf dem Berg. Der Gipfel ist noch nicht in Sicht. Das Gesundheits-, Versicherungs- und Versorgungssystem spielt dabei eine massgebende Rolle. Und die sozialen Folgen sind in diesem dem Sozialstaat so abgeneigten Land, katastrophal. Ein Professor aus Utha, ein Mormone, sagte mir einmal, als ich ihm die Vorteile des Krankenkassen-Obligatoriums in der Schweiz erklären wollte, die Schweiz sei halt sozialistisch. Ich meinte dann, das müsse er einmal auf der Bahnhofstrasse in Zürich verkünden. Er hat den Witz nicht verstanden. Scheuklappen und Brett vor dem Kopf zugleich. Das gibt wenig Weitsicht.

Ich habe erwähnt, dass die Leute auf der Strasse und den Wegen freundlicher sind, als vor CV. Das lässt wohl auf eine Art Entschleunigung schliessen, wir haben wieder mehr Zeit für soziale Kontakte, die wir in der Zeit des Abstandhaltens schätzen. Es ist eben kein „social“ Distancing, keine gesellschaftliche Distanz, nur eine physische.

Mein Klagen über den Grenzzaun in Konstanz hat einen Empfänger dieses Blogs, Hilmar Stettler, der in Konstanz aufgewachsen ist, veranlasst, mir ein schönes Grenzbild zu senden.

Es ist ein Werbeplakat aus dem frühen 20. Jh., ein Blick vom Seerücken auf Konstanz und Meersburg. (Hier fahren wir oft Velo). Die Mittel-Thurgau-Bahn, die MThB, die wir auch Mittellose Thurgau-Bahn nannten, weil sie immer wieder mal in Schwierigkeiten war, gehört jetzt der SBB. Benedikt Weibel, der frühere SBB-Boss, benutzte einen dieser Liquiditäts-Engpässe aufgrund grosser Investitionen, und er liess als Gläubiger die MThB am ausgestreckten Arm verhungern, statt ihr Aufschub zu geben.

Dazu beigetragen haben mag der damalige MThB-Direktor, der Thurgauer Peter Joss, der zwar sehr innovativ war: Die MThB übernahm die von der SBB als unrentabel angesehne Seelinie, führte den Halbstundentakt ein, kaufte bei Stadler Rail neue Gelenktriebwagen und baute zusätzliche Haltestellen. Die Seelinie florierte. Joss gab aber seine Erfolge immer lautstark bekannt, mit hämischer Kritik an den „trägen“ SBB. So hat halt am Schluss doch der Hund mit dem Schwanz gewedelt und nicht der Schwanz mit dem Hund. Und die an sich erfolgreiche MThB war wieder, und jetzt ein für alle Mal, die Mittellose Thurgaubahn.

1.5.2020/JB.